Entscheidungsstichwort (Thema)
"bambinoLÜK"
Leitsatz (amtlich)
1. Der Schutz eines Lernspiel-Kontrollgeräts als Werk der angewandten Kunst i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG kann mangels erforderlicher Gestaltungshöhe nicht daraus abgeleitet werden, das ein beidseitig zu öffnender Kasten verwendet wird, in den beidseitig bedruckte quadratische Plättchen eingelegt sind.
2. Kontrollgeräte eines Lernspiels enthalten keine "Darstellung wissenschaftlicher Art" gem. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG; der Umstand, dass mit ihrer Hilfe das Ergebnis einer Übungsaufgabe als richtig oder falsch verifiziert werden kann, genügt nicht.
Normenkette
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Nr. 7, § 2 Abs. 2, § 23; UWG § 4 Nrn. 9a, 9b; ZPO § 945
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 03.12.2008; Aktenzeichen 28 O 483/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 28. Zivilkammer des LG Köln vom 3.12.2008 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Widerklage ist zum Antrag zu 1 dem Grunde nach gerechtfertigt.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser aus dem Vollzug der einstweiligen Verfügung des LG Köln vom 13.6.2006 (28 O 284/06), der Beklagten zugestellt am 22.6.2006, entstanden ist oder noch entstehen wird, soweit dieser über den mit dem Widerklageantrag zu 1 geltend gemachten Schaden wegen nicht ausgeführter Lieferungen im Zeitraum vom 22.6.2006 bis zum 26.7.2006 an die S Supermarkt KGaA i.H.v. 8.552,59 EUR und an die Q Warenhandelsgesellschaft mbH i.H.v. 71.532,05 EUR hinausgeht.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
3. Die Revision wird beschränkt auf die mit der Klage geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche sowie die Widerklage zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin entwickelt und vertreibt unter den Marken "bambinoM", "miniM" und "pocketM" Lernspiele unter dem didaktischen Ansatz "Lern/Übe/Kontrolliere". Diese bestehen jeweils aus einem Kontrollgerät und Aufgaben- oder Übungsheften.
Bei dem Lernspiel "pocketM" ist das Kontrollgerät ein nach oben offener Kunststoffrahmen, in den Aufgabenhefte, die die Form eines Spiralblocks haben, eingesteckt werden können. Auf der rechten Seite sind sechs Kippschalter angebracht, die jeweils mit zwei Symbolen versehen sind. Die Aufgabenhefte enthalten auf jeder Seite jeweils sechs Aufgabenstellungen. Durch Bedienung der Kippschalter kann der Anwender jeder Aufgabe eine Lösungsalternative zuordnen. Hat der Anwender die Aufgabe richtig gelöst, kann er dies, nachdem er das Gerät umgedreht hat, dadurch erkennen, dass die von ihm eingestellte Symbolkombination ebenso auf der Rückseite des Aufgabenblocks abgebildet ist.
Das Lernspiel "bambinoM" besteht aus einem transparenten, flachen Kunststoffkasten, in dem sechs quadratische Plättchen in zwei Reihen zu je drei Plättchen auf dafür vorgesehenen Feldern liegen. Die Plättchen zeigen auf der Vorderseite einfarbige, recht abstrakt gestaltete Symbole (Apfel, Blume, Auto, Haus, Ente und Herz) und auf der Rückseite ein Farbmuster aus vier zur Seite offenen Halbkreisen mit den Farben grün, rot oder blau. Zu dem Lernspiel gehören außerdem Übungshefte. Die Aufgabe des Anwenders besteht darin, die Plättchen je nach Aufgabenstellung einem bestimmten Feld zuzuordnen. Ist diese Zuordnung richtig vorgenommen, sind die Rückseiten der Plättchen so angeordnet, dass sich geschlossene, einfarbige Kreise ergeben.
Das Lernspiel "miniM" entspricht dem Funktionsprinzip des "bambinoM". Es beinhaltet jedoch 12 Plättchen in zwei Reihen zu je sechs Plättchen. Die Unterseite des Kastens ist nicht transparent, sondern farbig, und die Felder sind von eins bis zwölf durchnummeriert. Hier besteht das Farbmuster aus einem roten, blauen oder grünen rechtwinkligen Trapez, so dass sich bei richtiger Lösung der Aufgabe ein harmonisches, im Übungsheft zur Kontrolle abgebildetes Muster ergibt.
Die Beklagte ist ein Verlagsunternehmen. Sie stellte her und vertrieb unter den Marken "Taschen R", "R Junior" und "R" Lernspiele, die weitgehend nach dem gleichen Prinzip wie die dargestellten Lernspiele der Klägerin funktionieren. Das Lernspiel "Taschen R" weist jedoch lediglich fünf Schalter auf, die zudem durch Drehen bewegt werden. Die Vorderseiten der Plättchen des Lernspiels "R Junior" zeigen bunte, mehr konkrete Darstellungen (Ente, Schmetterling, Blume, Gießkanne, Ball, Marienkäfer) und die Rückseiten zeigen statt Halbkreisen Rechtecke (mit abgerundeten Ecken), so dass sich bei richtiger Lösung Quadrate ergeben. Beim Lernspiel "R" ist die Rückseite des Kontrollkastens blau, und die Rückseiten der Plättchen sind diagonal in zwei Hälften geteilt, deren eine blau ist und deren andere entlang der Diagonalen einen farbigen (gelben, roten oder grünen) Balken aufweist und im Übrigen weiß ist. Die Aufgaben- bzw. Übungshefte zu den Lernspielen der Beklagten unterscheiden sich inhaltlich von denen der Klägerin; insofern macht diese keine Rec...