Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsunterhalt. Wegfall Unterhaltspflicht. Unterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Auch ein Unterhaltsanspruch wegen Krankheit (1572 BGB) kann gemäß 1579 Nr. 7 BGB zeitlich begrenzt werden und anschließend – trotz weiterbestehender Krankheit (hier: multiple Sklerose) – entfallen.
2. Ein derartiger Unterhaltswegfall kommt dann in Betracht, wenn die kranke Berechtigte durch die Heirat und den Verlauf der Ehe weder gesundheitliche noch berufliche oder versorgungsrechtliche Nachteile erlitten hat, die kinderlos gebliebene Ehe bis zur Zustellung des Scheidungsantrages nur rund zehn Jahre gedauert hat und der inzwischen selbständig tätige, erneut verheiratete Unterhaltsschuldner wegen Geschäftsrückgang nur eingeschränkt bzw. vorübergehend gar nicht leistungsfähig ist.
Normenkette
BGB §§ 1572, 1579 Nr. 7
Verfahrensgang
AG Karlsruhe-Durlach (Urteil vom 12.03.1996; Aktenzeichen 2 F 179/94 UE) |
AG Heilbronn (Urteil vom 18.11.1988; Aktenzeichen 6 F 359/88)) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Karlsruhe-Durlach vom 12.03.1996 aufgehoben und wie folgt erkannt:
Das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 18.11.1988 (6 F 359/88) wird dahingehend abgeändert, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten ab 01.03.1995 entfällt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der am 31.01.1955 geborene Kläger und die am 26.04.1957 geborene Beklagte schlossen am 11.07.1975 die Ehe. Im Februar 1985 kam es zur Trennung der Parteien, im Juli 1985 wurde der Beklagten der Scheidungsantrag des Klägers zugestellt, im September 1986 wurde die kinderlose Ehe der Parteien geschieden. Das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 17.09.1986 (F 229/85) ist seit 14.11.1986 rechtskräftig.
Im Zeitpunkt der Trennung war der Kläger als Elektroniker beschäftigt; bei Eintritt der Rechtskraft der Scheidung im November 1986 war er arbeitslos und durchlief eine Ausbildung als Technik-Informatiker. Im Februar 1987 heiratete er erneut und war in der Folgezeit als Layouter und als Technik-Informatiker tätig. Das zuletzt bei der Firma … bestehende Arbeitsverhältnis endete zum 31.12.1993. Im Jahr 1994 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, im Januar und Februar 1995 Arbeitslosenhilfe, seit 01.03.1995 ist er selbständig tätig und betreibt – seit September 1995 zusammen mit seiner zweiten Ehefrau – ein Gewerbe, dessen Gegenstand der Verkauf und die Reparatur von Computern, die Entwicklung von Software, die Durchführung von Computerschulungen und das Erstellen von Schreibarbeiten ist.
Die Beklagte war bereits vor der Eheschließung an multipler Sklerose erkrankt; seit 01.05.1985 bezieht sie Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Kläger zahlte an sie aufgrund eines Urteils des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach bis August 1985 Trennungsunterhalt von monatlich DM 645,–. Durch Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 18.11.1988 (6 F 359/88) wurde der Kläger zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von DM 651,– monatlich verurteilt. Diesen Betrag zahlte er bis Februar 1995.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger in erster Instanz die Reduzierung seiner Unterhaltsverpflichtung für den Zeitraum September bis Dezember 1994 auf monatlich DM 300,– und den anschließenden Wegfall der Unterhaltsverpflichtung angestrebt. Zur Begründung hat er angeführt:
Die Beklagte habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie ihm ihre schwere Krankheit vor der Heirat verschwiegen habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, der Beklagten weiterhin und zeitlich unbegrenzt Unterhalt zu zahlen, nachdem die Krankheit nicht ehebedingt sei und die Beklagte durch die Eheschließung keinerlei berufliche Nachteile erlitten habe. Auch sei er nicht leistungsfähig; die im Gewerbebetrieb erwirtschafteten Gewinne seien gering und stünden hälftig seiner Ehefrau zu. Das zuletzt bei der Firma … bezogene Einkommen könne einer Unterhaltsberechnung nicht zugrunde gelegt werden. Denn er habe seine dortige Arbeitsstelle unverschuldet verloren. Trotz intensiver Bemühungen habe er keine neue Arbeitsstelle gefunden; offensichtlich bestehe für ihn bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage keine reale Beschäftigungschance.
Der Kläger hat beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 18.11.1988 – 6 F 359/88 – wird dahingehend abgeändert, daß der Kläger an die Beklagte für die Zeit von September bis einschließlich Dezember 1994 noch einen monatlichen Ehegattenunterhalt von DM 300,– und für die Zeit ab Januar 1995 keinen Ehegattenunterhalt mehr schuldet.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, den Kläger bei Eingehung der Ehe über die Schwere ihrer Erkrankung getäuscht zu haben. Auch sei der Unterhaltsanspruch weder der Höhe nach zu beschränken noch zeitlich zu begrenzen, da die Ehe eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft sei, woraus sich eine Verpflichtung auch zu nachehelicher Solidarität ergebe. Der Kläger sei auch leistungsfähig, da ihm die im Gewerbe...