Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erwerbstätigenbonus. Ausschluß. Ehegattenunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Zwar ist unterhaltsrechtlich das Arbeitslosengeld eines Unterhaltsschuldners wie Einkommen zu behandeln. Im Rahmen der Berechnung zum Ehegattenunterhalt kommt aber der Abzug eines Bonus von 1/7 deswegen nicht in Betracht, weil dem Arbeitslosengeld nicht der Charakter eines Arbeitsanreizes innewohnt.
2. Verstößt eine Unterhaltsgläubigerin durch ihr Verhalten (Anzeige ihres geschiedenen Ehemannes bei dessen Arbeitgeber wegen dort angeblich verübter Diebstähle) in erheblicher Weise gegen ihre unterhaltsrechtliche Pflicht zur nachehelichen Solidarität, so kann es gemäß 1579 Nr. 4 BGB angezeigt sein, sie mit den ihr verbleibenden Unterhaltsansprüchen von der nachehelichen Entwicklung der prägenden, wirtschaftlichen Verhältnisse auf Seiten des Unterhaltsschuldners auszuschließen mit der Folge, daß ihr – unter Einschluß eigener geringer Nebeneinkünfte – insgesamt nurmehr ein monatlicher Aufstockungsunterhalt bis zur Deckung ihres notwendigen Selbstbehaltes als Nichterwerbstätige (mit derzeit 1.300 DM monatlich) zu gewähren ist.
Normenkette
BGB §§ 1581, 1579 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Urteil vom 19.12.1996; Aktenzeichen 6 F 298/95) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird, unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels, das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Karlsruhe vom 19.12.1996 (6 F 298/95) aufgehoben und wie folgt neu erkannt:
- Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab Dezember 1995 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 840,00 DM zu zahlen, zahlbar jeweils monatlich im voraus.
- Im übrigen wird die Klage zurückgewiesen.
2. Die Anschlußberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist am 29.04.1938, der Beklagte ist am 31.03.1940 geboren. Die Parteien haben am 16.12.1983 die Ehe geschlossen, aus der Kinder nicht hervorgegangen sind. Diese ist seit 04.04.1995 rechtskräftig geschieden.
Die Klägerin war in der Ehezeit und ist auch noch heute stundenweise als Reinigungskraft beschäftigt. Der Beklagte ist Kfz-Meister, seit Januar 1996 bezieht er Arbeitslosengeld. Die Ehewohnung der Parteien befand sich in einem dem Ehemann gehörenden Einfamilienhaus, das dieser seit der Trennung der Parteien alleine bewohnt.
Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin nachehelichen Aufstockungsunterhalt ab Dezember 1995 geltend – bis einschließlich November 1995 hatte der Beklagte einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.600,00 DM bezahlt. Die Klägerin ist der Auffassung, Unterhalt stehe ihr aufgrund ihres Alters, ihrer eingeschränkten Gesundheit – sie leide an Depressionen –, ihrer bisherigen Teilerwerbstätigkeit und der Arbeitsmarktsituation zu.
Vor dem Amtsgericht hat die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 1.600,00 DM, beginnend mit dem 10.12.1995, zu bezahlen.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Er ist der Auffassung, die Klägerin sei verpflichtet und in der Lage, sich nach der Scheidung selbst zu unterhalten. Im übrigen habe die Klägerin einen etwaigen Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie den Beklagten bei seinem (früheren) Arbeitgeber angeschwärzt habe.
Die Klägerin bestreitet nicht, daß der (frühere) Arbeitgeber des Beklagten über sie Informationen erhalten habe, die den Verdacht erweckt hätten, der Beklagte habe seinen Arbeitgeber bestohlen. Sie ist aber der Auffassung, daß dies keine unterhaltsrechtlichen Auswirkungen haben dürfe.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben zur Frage der Arbeitsfähigkeit der Klägerin durch Einholung eines (allgemein-)medizinischen und eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens.
Mit Urteil vom 19.12.1996 hat das Amtsgericht der Klägerin einen monatlichen Unterhalt von 415,00 DM ab Januar 1996 zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe nachehelicher Unterhalt zu. Zwar sei sie gesundheitlich in der Lage, eine leichte Vollzeittätigkeit ohne schweres Heben und Tragen und ohne besondere nervliche Belastung auszuüben. Eine entsprechende Arbeitsstelle – etwa in Form einer Fließbandtätigkeit – könne sie bei der derzeitigen Lage auf dem Arbeitsmarkt aber nicht finden; die Ausweitung der bislang ausgeübten Putztätigkeit sei aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Der der Klägerin zustehende Unterhaltsanspruch von rechnerisch 829,00 DM monatlich sei gemäß § 1579 Nr. 4 BGB auf die Hälfte zu kürzen, weil die Klägerin die Ursache dafür gesetzt habe, daß dem Beklagten fristlos gekündigt worden sei. Hierdurch habe sie sich mutwillig über schwerwiegende Vermögensinteressen des Beklagten hinweggesetzt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung und der Beklagte Anschlußberufung eingelegt. Beide Parteien wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Unter gerin...