Entscheidungsstichwort (Thema)

Presserechtlicher Gegendarstellungsanspruch; Umfang einer Gegendarstellung auf der Titelseite

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Gegendarstellung setzt weder den Nachweis der Unwahrheit der Erstmitteilung noch den der Wahrheit der Gegendarstellung voraus.

2. Eine Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung besteht nicht, wenn diese offenkundig unwahr ist. An die Glaubhaftmachung einer offenkundigen Unwahrheit sind strenge Anforderungen zu stellen, wobei die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast beim Anspruchsverpflichteten liegt.

3. Leserkreis und Aufmerksamkeitswert der Gegendarstellung müssen dem der Erstmitteilung nach Möglichkeit entsprechen. Soweit eine auf der Titelseite erschienene Erstmitteilung in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift, ist auch die Gegendarstellung auf der Titelseite zu veröffentlichen.

4. Umfang und Aufmachung der Gegendarstellung dürfen nicht dazu führen, dass die Titelseite ihre Funktion verliert, eine Identifizierung des Blattes zu ermöglichen. Deshalb ist ggf. eine gewisse Reduzierung der Schriftgröße im Vergleich zur Erstmitteilung hinzunehmen. Die Reduzierung der Schriftgröße darf andererseits nicht zu einer Entwertung der Gegendarstellung führen.

 

Normenkette

LPG-BW § 11

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 05.08.2005; Aktenzeichen 2 O 276/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Offenburg vom 5.8.2005 - 2 O 276/05 - abgeändert:

a) Der Beklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt, auf der Titelseite der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der Zeitschrift "Neue Woche" in der linken Randspalte mit gleicher Schrifttype, wie sie verwendet wurde für die in Heft 25/05 erschienene Erstmitteilung "Exclusiv - H.E.B. - Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an" unter ggü. dem Fließtext erfolgender Hervorhebung des Wortes "Gegendarstellung" als Überschrift sowie der Wörter "H.E.B." und "Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an" - ohne Einschaltungen und Weglassungen - folgende Gegendarstellung abzudrucken, wobei die Schriftgröße des Fließtextes ggü. der der Erstmitteilung - lediglich - in der Weise reduziert sein darf, dass der Abdruck nicht weniger als 150 % der Fläche der Erstmitteilung einnimmt:

Gegendarstellung

Auf der Titelseite von "N.W." Nr. 25 vom 18.6.2005 schreiben Sie über mich:

"EXCLUSIV

H.E.B.

Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an"

und bilden dazu eine Frau ab.

Hierzu stelle ich fest:

Weder war die abgebildete Frau meine Geliebte noch habe ich ggü. dieser Frau eine Gewalttat verübt.

Köln, 20.6.2005

H.E.B.

b) Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

4. Der Streitwert der Berufung wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der (Verfügungs-)Kläger ist Fernsehmoderator. Auf der Titelseite von Heft Nr. 25/05 der von der (Verfügungs-) Beklagten herausgegebenen Zeitschrift "Neue Woche" wurde mit den Worten

"EXKLUSIV

H.E.B.

Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an"

und unterlegt mit einem Bild des Klägers und dem einer Frau - auf einen im Inneren des Heftes veröffentlichten Artikel mit der Überschrift "H.E.B. hätte mich fast erwürgt" hingewiesen. Der Kläger hat deshalb beantragt, die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zum Abdruck einer Gegendarstellung zu verpflichten. Die Beklagte ist diesem Antrag entgegengetreten.

Wegen des vom Kläger verfolgten Anspruchs und des zugrunde liegenden Sachverhalts im Einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO).

Das LG hat dem Antrag des Klägers entsprechend der Beklagten

"auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitung N.W., in der der Artikel H.E.B. Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes 'Gegendarstellung' als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße der Worte H.E.B. sowie den Fließtext durch entsprechende Anordnung und Schriftgröße der Worte Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat an in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltung und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

Gegendarstellung

Auf der Titelseite von N.W. Nr. 25 vom 18.6.2005 schreiben Sie über mich:

EXKLUSIV

H.E.B.

Geliebte zeigt ihn nach Gewalttat

und bilden dazu eine Frau ab.

Hierzu stelle ich fest:

Weder war die abgebildete Frau meine Geliebte noch habe ich ggü. dieser Frau eine Gewalttat verübt.

Köln, 20.6.2005

H.E.B."

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung des Verfügungsgsantrags weiter. Sie ist der Auffassung, ein Anspruch auf Abdruck der verlangten Gegendarstellung bestehe nicht, weil deren Inhalt zum einen offensichtlich unwahr und zum anderen irreführend sei. Zudem bestehe aufgrund...

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