Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Aktenzeichen 1 O 259/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 19.12.2019, Az. 1 O 259/18, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert wie folgt: Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 109.432,40 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.12.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn die Gegenseite nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 109.432,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt als örtlicher Verteilnetzbetreiber von der Beklagten, die eine Wasserkraftanlage betreibt, die Rückzahlung von erhöhten Vergütungen für Stromlieferungen nach dem EEG für die Jahre 2016 und 2017.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 19.12.2019 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rückzahlung der erhöhten Vergütung nach § 57 Abs. 5 S. 1, S. 3 EEG 2014 für das Jahr 2016 und nach § 57 Abs. 5 S. 1, S. 4 EEG 2017 für das Jahr 2017 vor. Denn die von dem Umweltgutachter ... ausgestellte Bescheinigung genüge den Anforderungen des § 23 Abs. 5 Ziff. 2 Satz 3 Nr. 2 EEG 2009 inhaltlich in keinem Fall, unabhängig davon, in welchem Umfang die Bescheinigung einer inhaltlichen Überprüfung durch das Gericht unterliege. Die Ansprüche der Klägerin seien jedoch nach § 242 BGB verwirkt.
Für das im Rahmen des Verwirkungstatbestandes erforderliche Zeitmoment sei der Zeitpunkt der Vorlage der Bescheinigung des Umweltgutachtens ... im April 2010 an die ... GmbH maßgeblich, von der die Klägerin das Verteilnetz zum 01.01.2013 übernommen hatte. Auch das erforderliche Umstandsmoment liege vor, da die Beklagte dem Verhalten der Klägerin und der ... GmbH bei objektiver Betrachtung habe entnehmen dürfen, dass diese ihre Einwendungen gegen die Bescheinigung des Sachverständigen ... und die sich daraus ergebende Zahlungsverpflichtung nach § 23 EEG 2009 nicht mehr geltend machen würden. Im Vertrauen darauf, dass die streitgegenständliche Bescheinigung nicht mehr angezweifelt werde, habe die Beklagte es unterlassen, die Bescheinigung einer Nachprüfung zu unterziehen oder eine neue Bescheinigung einzuholen.
Mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche in vollem Umfang weiter. Der Anspruch der Klägerin sei nicht verwirkt.
Zeitmoment:
Zutreffend gehe das Landgericht davon aus, dass es für die Beurteilung des Zeitmoments auf Umstände ankomme, die nach Entstehen des Rückzahlungsanspruchs entstanden seien, und das Zeitmoment grundsätzlich zu verneinen sei, wenn, wie hier, die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Danach meine das Landgericht jedoch ohne überzeugende Begründung, hiervon sei im Fall eines Dauerschuldverhältnisses abzuweichen, wenn die Umstände, die einer Zahlung entgegenstünden, bereits seit längerer Zeit bekannt seien.
Das Landgericht begehe einen dogmatischen Fehler, indem es nicht mehr auf den Rückforderungsanspruch, sondern auf die Umstände des von der Beklagten geltend gemachten Zahlungsbegehrens und dessen Beurteilung durch die ... GmbH in 2010 abstelle.
Die fehlerhafte Rechtsauffassung des Landgerichts setze sich bei der Frage fort, ob sich die Klägerin das Handeln der ... GmbH von 2010 zurechnen lassen müsse.
Die Klägerin habe erst Anfang 2018 überhaupt von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt. Auch eine Kenntnis der ... GmbH, sollte man eine Zurechnung überhaupt bejahen, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Zweifel seien nicht gleichzusetzen mit einer positiven Kenntnis. Die Klägerin habe die Kenntnis der ... GmbH erstinstanzlich ausdrücklich bestritten. Das Landgericht hätte eine solche Kenntnis daher nicht ohne weitergehende Sachverhaltsaufklärung annehmen dürfen. Das Urteil leide insofern an einem formellen Fehler.
Umstandsmoment:
Auch hier begehe das Landgericht den systematischen Fehler, nicht auf die streitgegenständlichen Rückforderungsansprüche, sondern auf die Zahlungsansprüche der Beklagten abzustellen.
Bereits grundsätzlich scheide eine Verwirkung aus, wenn der Berechtigte über das ihm zustehende Recht Unkenntnis habe. Eine solche Kenntnis nehme vorliegend noch nicht einmal das Landgericht an, das lediglich von Diskussionen zwischen der ... GmbH und der Beklagten und einem vermeintlich kontroversen Schriftwechsel ausgehe. Darüber hinaus werde auch nicht deutlich, woraus das Landgericht seine Kenntnis über den Schriftwechsel zwis...