Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Gerichtszuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVO
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Unternehmer das zu liefernde Produkt aus von ihm selbst zu stellenden Stoffen herzustellen, handelt es sich grds. in Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 CISG um einen Kaufvertrag nach Art. 5 Nr. 1b EuGVO.
2. Erfüllungsort i.S.v. Art. 5 Nr. 1b - Spiegelstrich zwei - ist in erster Linie der Ort, an dem die Ware tatsächlich geliefert wurde, wenn sich aus dem Vertrag nichts anderes ergibt.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 04.12.2007) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Freiburg vom 4.12.2007 abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die internationale Zuständigkeit für Zahlungsansprüche aus der Herstellung und Lieferung technischer Geräte (Fernanzeigen).
Die Beklagte bestellte beim Kläger mit Schreiben vom 23.3.2006 zwei Fernanzeigen, "welche am 18.4.2006 bei uns im Hause einlangen müssen". In der Auftragsbestätigung des Klägers vom 28.3.2006 wurde Lieferung per DPD vermerkt. Die Fernanzeigen wurden beim Kläger in E. in Anlehnung an eine bereits zuvor erfolgte Bestellung gefertigt und am 20.4.2006 durch den Kläger in L./Österreich am Sitz der Beklagten angeliefert, wo sie rügelos abgenommen wurden. Zwei im Nachhinein bestellte Schriftzüge für die Fernanzeigen wurden der Beklagten mit dem Transportunternehmen DPD übersandt und am Sitz der Beklagten ausgehändigt. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das Urteil des LG Freiburg vom 4.12.2007 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat seine internationale Zuständigkeit bejaht und der Zahlungsklage, der unstreitige Zahlungsansprüche zugrunde liegen, stattgegeben. Zwar sei zweifelhaft, ob eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vorliege. Es bestehe jedoch die an den Erfüllungsort anknüpfende besondere Zuständigkeit für die Erbringung von Dienstleistungen des Art. 5 Nr. 1b zweiter Spiegelstrich EuGVO, weil der Schwerpunkt des Vertrages im Bereich der kundenspezifischen und aufwendigen Herstellung der Geräte liege. Die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche seien nicht substantiiert.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Der Werklieferungsvertrag sei als Kaufvertrag gem. Art. 5 Nr. 1b erster Spiegelstrich EuGVO einzuordnen. Bei der Auslegung von Art. 5 Nr. 1b EuGVO könne auf die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44/EG sowie insbesondere auf das CISG zurückgegriffen werden. Dass es sich vorliegend um einen Kaufvertrag handele, ergebe sich aus der insoweit maßgeblichen Regelung in Art. 3 CISG, der mit Art. 1 Abs. 4 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie übereinstimme.
Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des erkennenden Senats.
Die Beklagte beantragt, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des LG Freiburg vom 4.12.2007 - 8 O 109/07 - aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Es liege kein Kaufvertrag im Sinne der EuGVO vor. Der Schwerpunkt des Vertrages liege hier eindeutig auf der Werkleistung - einer Dienstleistung im weiten europäischen Sinne. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sei zur Auslegung der nicht verbraucherschützenden Norm des Art. 5 Nr. 1 EuGVO nicht heranzuziehen. Der Rückgriff auf das CISG komme erst in Betracht, wenn feststehe, dass ein Kaufvertrag vorliege.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts greift allerdings nicht.
Der erkennende Senat ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des OLG Karlsruhe für das Jahr 2008 aufgrund Zuweisung nach der Turnusregelung zur Entscheidung in dieser Sache zuständig.
2. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage als unzulässig abzuweisen, denn das LG Freiburg ist für die vorliegende Streitigkeit nicht zuständig. Für den Rechtsstreit, der in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVO) fällt, ergibt sich weder aufgrund einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung noch aus Art. 5 Nr. 1 EuGVO eine Zuständigkeit deutscher Gerichte.
a) Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarunggemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVO liegt nicht vor.
Eine Willenseinigung, die Voraussetzung sowohl für Art. 23 Abs. 1 S. 3 Nr. a) EuGVO als auch für Art. 23 Abs. 1 S. 3 Nr. b) EuGVO ist, steht, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, nicht fest. Denn die Beklagte hat ausweislich der auf dem Bestellschein vom 23.3.2006 ganz unten enthaltenen leserlichen Angaben unter Bezugnahme auf den Gerichtsstand in M./Österreich bestellt während der Kläger die Bestellung unter Hinweis auf seine Lieferungs- und Zahlungsbedingungen angenommen hat, die als Gerichtsstand d...