Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen Drohung; Ursächlichkeit der Drohung für Abschluss des Aufhebungsvertrags
Leitsatz (amtlich)
1. Die dem Dienstverpflichteten ggü. erfolgende Ankündigung des Dienstherrn, an einer ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung festhalten zu wollen, ist als Drohung i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Betracht ziehen durfte.
2. Voraussetzung für die Anfechtbarkeit nach § 123 Abs. 1 BGB ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen widerrechtlicher Drohung und Abgabe der Willenserklärung.
3. Die widerrechtliche Drohung mit der Aufrechterhaltung einer unbegründeten fristlosen Kündigung ist für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags dann nicht ursächlich, wenn sich der Dienstverpflichtete (hier: Hauptgeschäftsführer einer Handwerkskammer) bei Abschluss des Aufhebungsvertrags dessen bewusst ist, dass die fristlose Kündigung mangels Kündigungsgrundes unbegründet war.
4. Der am Arbeitsplatz erfolgende Abschluss eines Vertrags über die Aufhebung des Dienstvertrags stellt kein Haustürgeschäft dar.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 16.01.2003; Aktenzeichen 1 O 44/02) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Freiburg vom 16.1.2003 - 1 O 44/02 - wird in Bezug auf die Klageanträge I 1 bis 3 (Hauptanträge) sowie auf den Hilfsantrag II 1 in der modifizierten Fassung gem. S. 2 des Klägerschriftsatzes vom 15.4.2003 als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger verlangt die Feststellung, dass sein durch Dienstvertrag mit der Beklagten Nr. 1 vom 2.1.1997 begründetes Dienstverhältnis als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer F. weder durch am 12.2.2001 seitens der Beklagten Nr. 1 ausgesprochene außerordentliche Kündigung noch durch Aufhebungsvertrag beendet worden ist, das Dienstverhältnis vielmehr fortbestehe und er zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen sei. Hilfsweise begehrt er weitere Abführung der Umlage für seine Altersversorgung an den Kommunalen Versorgungsverband Baden-Württemberg (KVBW) und macht materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte Nr. 1 und deren Präsidenten, den Beklagten Nr. 2, wegen Äußerungen ggü. der Presse und im Internet geltend.
Wegen der vom Kläger erstinstanzlich verfolgten Ansprüche im Einzelnen, des zugrundeliegenden Sachverhalts, des Vorbringens der Parteien sowie der gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf den Tatbestandsberichtigungsbeschluss des LG vom 13.3.2003 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage sowohl hinsichtlich der Haupt- als auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: In Hinblick auf den am 13.2.2001 zur Beseitigung insoweit vorher eventuell bestehender Unsicherheiten geschlossenen Aufhebungsvertrag könne dahingestellt bleiben, ob die am 12.2.2001 ausgesprochene fristlose Kündigung wirksam gewesen sei. Der Aufhebungsvertrag sei nicht wirksam gem. § 123 BGB wegen widerrechtlicher Drohung angefochten. Unabhängig davon, wie man die Geschehnisse vom 12.2.2001 - Drohung mit einer fristlosen Kündigung; Hinweis auf dann zu erwartende Pressereaktionen - werte, seien sie für den Abschluss des Aufhebungsvertrags am 13.2.2001 nicht kausal gewesen. Ein Rücktrittsrecht nach dem HausTWG bestehe nicht. Der Aufhebungsvertrag sei nicht mangels Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg unwirksam. Der Hilfsantrag auf Fortführung der Altersversorgung sei unbegründet, weil sie nicht vereinbart worden sei; beamtenrechtliche Grundsätze kämen nicht zur Anwendung, weil der Kläger nicht Beamter auf Lebenszeit gewesen sei. Hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Äußerungen ggü. der Presse kämen nicht Betracht, weil die Äußerungen durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt gewesen seien. Die Voraussetzungen auf Ersatz immaterieller Schäden seien nicht gegeben, weil die Beklagte Nr. 1 weder über den Kläger unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt, noch an ihm Schmähkritik geübt habe.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger - der insb. beanstandet, das LG habe nicht berücksichtigt, dass die außerordentliche Kündigung ganz offensichtlich unbegründet gewesen sei - seine erstinstanzlichen Hauptanträge (Anträge I 1-3) sowie Hilfsantrag II 2 unverändert und die Hilfsanträge II 1, 3 und 4 in zum Teil modifizierter Form weiter:
Mit Antrag II 1 beantragt er hilfsweise, die Beklagte Nr. 1 zu verurteilen, an den Kommunalen Versorgungsverband Baden-Württemberg (KVBW) die rückständige Umlage für die Altersversorgung des Klägers für den Monat Juli 2001 i.H.v. 2.132,39 Euro abzuführen.
Mit Hilfsantrag II 3 beantragt er hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.787,25 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit als Ersatz des Schadens zu bezahlen, welcher dem Kläger ...