Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz und Schmerzensgeld. Schmerzensgeld bei Nachlassforderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Alleine die Trauer oder der Schmerz über die Tötung eines nahen Angehörigen und der durch diese Tötung verursachte seelische Druck und Streß sind daher – auch wenn dies in schweren Fällen von Störungen der physiologischen Abläufe begleitet wird und für die körperliche Befindlichkeit durchaus medizinisch relevant sein kann – rechtlich nicht als Gesundheitsverletzungen im Sinn der §§ 823, 847 BGB anzusehen.

2. Eine Gesundheitsverletzung im Sinn der §§ 823, 847 BGB stellen die durch den Tod eines nahen Angehörigen verursachten Beeinträchtigungen nur dar, wenn und soweit es infolge des Todesfalls zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer gekommen ist, die die auch sonst in solchen Fällen nicht leichten Nachteile für das gesundheitliche Allgemeinbefinden erheblich übersteigen und die deshalb nicht nur medizinisch, sondern „auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden”

 

Normenkette

BGB §§ 823, 847, 1922

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 19.09.1997; Aktenzeichen 8 O 220/97)

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. September 1997 – 8 O 220/97 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beschwer der Kläger beträgt DM 24.959,44.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Zum Schmerzensgeldbegehren:

Den Klägern steht ein Anspruch auf Zahlung eines (weiteren) Schmerzensgeldes nicht zu (§ 847 BGB).

1.1. Zum Begehren der Klägerin Ziffer 1:

Das geltende Recht gewährt grundsätzlich keinen Ersatzanspruch für lediglich psychisch vermittelte seelische Beeinträchtigungen, d. h. für solche seelischen Beeinträchtigungen, die nicht eine Auswirkung der Verletzung des eigenen Körpers oder der eigenen Gesundheit sind. Alleine die Trauer oder der Schmerz über die Tötung eines nahen Angehörigen und der durch diese Tötung verursachte seelische Druck und Streß sind daher – auch wenn dies in schweren Fällen von Störungen der physiologischen Abläufe begleitet wird und für die körperliche Befindlichkeit durchaus medizinisch relevant sein kann – rechtlich nicht als Gesundheitsverletzungen im Sinn der §§ 823, 847 BGB anzusehen (BGH NJW 89, 2317; BGHZ 56, 163, 164/165). Eine Gesundheitsverletzung im Sinn der §§ 823, 847 BGB stellen die durch den Tod eines nahen Angehörigen verursachten Beeinträchtigungen nur dar, wenn und soweit es infolge des Todesfalls zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer gekommen ist, die die auch sonst in solchen Fällen nicht leichten Nachteile für das gesundheitliche Allgemeinbefinden erheblich übersteigen und die deshalb nicht nur medizinisch, sondern „auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden” (BGH NJW 89, 2317, 2318). Die Beeinträchtigungen müssen also „pathologisch faßbar” sein (BGH NJW 89, 2317, 2318; OLG Hamm NJW-RR 97, 1048; vgl. auch OLG Stuttgart VersR 88, 1187, 1188; a.A. Wussow/Kürschner, Unfallhaftpflichtrecht, 14. Aufl., Rdnr. 1837). Ohne eine pathologisch faßbare Auswirkung sind daher auch Depressionen, Schlafstörungen, Alpträume, Seelenschmerzen, Weinkrämpfe, Gefühle des Aus-der-Bahn-geworfen-Seins und vorübergehende Kreislaufstörungen („Schock” im medizinischen Sinn) bis hin zum Kollaps Belastungen, in denen sich nach der Wertung des Gesetzes lediglich das „normale” Lebensrisiko der Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt verwirklicht (Steffen in RGRK, BGB, 12. Aufl., § 823 Rdnr. 11; OLG Stuttgart VersR 88, 1187, 1188; bzgl. schwerer Depressionen vgl. BGH NJW 84, 1405 unter Ziffer II 2 b). Dabei will der Senat diese Beeinträchtigungen in keinster Weise bagatellisiert wissen; entscheidend ist lediglich, ob sie ein pathologisches Ausmaß erreichen und nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Gesundheitsschaden betrachtet werden, so daß nicht nur medizinisch, sondern auch nach der Wertung des Gesetzes – also juristisch – von einer Gesundheitsverletzung ausgegangen werden kann.

Diese Rechtslage zugrunde gelegt, hat die Klägerin Ziffer 1 nicht substantiiert dargetan, daß sie infolge des streitgegenständlichen Unfalls ihres Ehemanns vom 20.09.1995 eine Gesundheitsbeeinträchtigung erlitten hat, für die – als billige Entschädigung gemäß § 847 BGB – ein über DM 5.000 hinausgehendes Schmerzensgeld angemessen erscheint.

Die Klägerin Ziffer 1 trägt vor, die durch den Tod ihres Mannes entstandene familiäre Situation – sie ist seither auf sich alleine gestellt und hat alleine für die beiden 1976 bzw. 1980 geborenen Söhne zu sorgen – habe zu einem enormen seelischen Druck und psychischen Streß geführt (II 55); Folgen, die nach der Verkehrsauffassung gerade nicht als eine Verletzung des Körpers ode...

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