Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 06.06.2013; Aktenzeichen 6 O 207/12 C)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Konstanz vom 06.06.2013 - 6 O 207/12 C - wird unter Abweisung der Klage im Übrigen zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin.

3. Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten oder die Streithelferin Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Erbin ihres zwischenzeitlich verstorbenen Ehemannes J. H. (nachfolgend als Kläger bezeichnet) von den Beklagten als Gesamtschuldner materiellen und immateriellen Schadensersatz.

Am 24.02.2011 gegen 11 Uhr erlitt der 1941 geborene Kläger im Fahrstuhl des evangelischen Altenheims in S. einen Schlaganfall (Mediahauptstammverschluss rechts mit konsekutivem Mediateilinfarkt rechts). Um 11.04 Uhr erreichte den Beklagten Ziffer 2, der als Leitender Notarzt tätig war, der Alarm, der eine "bewusstlose Person" meldete. Um 11.07 Uhr traf der Beklagte Ziffer 2 mit einem Rettungssanitäter beim Kläger ein. Um 11.08 Uhr war der Rettungswagen vor Ort. Der Kläger war wach und ansprechbar, konnte sich aber nicht verständlich machen. Der Beklagte Ziffer 2 notierte hierzu in der Einsatzdokumentation unter anderem "Puls regelmäßig, gut palpabel, Facialisparese rechts, Hemiparese Li. Bein + Arm, bek. Diabetiker". Als Diagnose erfasste er in der Einsatzdokumentation (AS. I 157 - 159) "Synkope Df Apoplex -≫ CT Diagnostik" und wies den Kläger in das ca. 690 m entfernte Krankenhaus S. der Beklagten Ziffer 1 ein, in welchem er selbst Chefarzt für Anästhesie war. 21 km entfernt lag das H. K. mit einer Strake Unit Abteilung. Im Krankenhaus S. wurde der Kläger um 11.21 Uhr aufgenommen. Die Assistenzärztin stellte eine Hemiparese links, Facialisparese links und Dysarthrie fest. Nach Hinzuziehung der Chefärztin K. wurde um 11.30 Uhr ein craniales CT angeordnet. Während des CT

erlitt der Kläger einen epileptischen Krampfanfall. Um 11.40 Uhr lag das CT vor. Nach weiteren Untersuchungen (Klinik, Echokardiographie, Dopplersono, EKG, Labor) veranlasste die Chefärztin die Verbringung in die ca. 23 km entfernte Klinik der Streithelferin in A.. Um 12.01 Uhr wurde der Rettungswagen gerufen, der um 12.04 Uhr eintraf und den Kläger um 12.41 Uhr der Streithelferin in A. übergab. Die dortigen Ärzte fertigten ein MRT des Schädels an. Ab 14.15 Uhr führten sie eine Thrombolyse-Behandlung durch.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (AS. I 179 - 191).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat eine Haftung des Beklagen Ziffer 2 verneint, weil er als Notarzt hoheitlich gehandelt habe und deshalb anstelle der persönlichen Haftung die staatliche Haftung nach den Grundsätzen der Amtshaftung trete. Hinsichtlich der Beklagten Ziffer 1 hat das LG entschieden, eine Haftung sei nicht gegeben, weil der Vorwurf fehlerhafter Behandlung nicht daraus hergeleitet werden könne, dass die behandelnden Ärzte der Beklagten Ziffer 1 den Kläger gar nicht hätten aufnehmen dürfen, sondern sogleich einen Weitertransport in die Schlaganfall-Abteilung des Krankenhauses S. hätten veranlassen müssen. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (S. 10- 18 des Urteils, AS. I 192 - 209).

Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie das angefochtene Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht stellt.

Hinsichtlich des Beklagten Ziffer 2 habe das Gericht zu Unrecht den Notarzt als medizinisch hoheitlich Handelnden eingestuft und ihn damit unzutreffend unter das Haftungsprivileg des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gestellt. Soweit in Teilen der Rechtsprechung und Literatur ein hoheitliches Handeln von Notärzten bejaht werde, würden diese Ansichten die Grundrechte des Patienten aus Art. 2 Abs. 2 GG verkennen; ein hoheitlich verordneter und durchgeführter Heileingriff durch den Arzt sei diesem Grundrecht selbst in einer evtl. vermeintlichen Notlage heraus fremd. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Patienten werde auch in den entsprechenden Entscheidungen/Aufsätzen nicht diskutiert. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit schütze jedoch vor allen Einwirkungen, die die menschliche Gesundheit beeinträchtigten, worunter insbesondere und unzweifelhaft ärztliche Heileingriffe fielen. Ein solcher sei auch der notärztliche Einsatz mit zusätzlicher ärztlicher Transportüberwachung. Nicht die Gefahrenabwehr, sondern der lebensrettende Heileingriff und damit Art. 2 GG stehe im Vordergrund des notärztlichen Handelns. Es unterscheide sich nur unwesentlich vom Heileingriff im Krankenhaus oder Behandlungszimmer. Die Berufung...

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