Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage notwendiger neurologischer Untersuchungen im Hinblick auf das Vorliegen einer transitorisch-ischämischen Attacke bei einer Patientin mit Schwächeanfall.

2. Bei einem leichten bis mittleren Schlaganfall (NISSH-Score 4) lässt ein fachärztlicher Standard im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Lysebehandlung nicht feststellen. Wird der insoweit notwendige ärztliche Abwägungsvorgang nicht im einzelnen dokumentiert, lassen sich daraus keine beweisrechtlichen Konsequenzen zugunsten des Patienten herleiten.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 3 O 311/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.11.2017 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 311/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstre-ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen des Vorwurfs einer fehlerhaften Behandlung in Zusammenhang mit einem erlittenen Schlaganfall auf Zahlung von Schmerzensgeld, auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige unvorhersehbare immaterielle sowie vergangene und künftige materielle Schäden in Anspruch.

Die am 14.12.1948 geborene Klägerin erlitt am 18.10.2012 während eines Schwimmbadbesuches einen Schwächeanfall. Auf dem Heimweg verschlechterte sich der Zustand der Klägerin derart, dass der Rettungsdienst alarmiert werden musste. Der Notarzt dokumentierte in seinem Bericht, dass die Klägerin unter plötzlicher Übelkeit, Schwindel und Beinschwäche gelitten habe, dass sich auf dem Heimweg dann wiederum Übelkeit sowie Erbrechen eingestellt hätten, dass keine Synkope vorliege, der Glasgow-Coma-Score 15 betrage, der Blutdruck bei 157 zu 105 liege. Als Erstdiagnose hielt er fest: Kreislaufkollaps/Übelkeit/Erbrechen, keine Synkope.

Die Klägerin wurde in das Krankenhaus der Beklagten zu 1 verbracht, wo sie gegen 14:45 Uhr in der zentralen Notfallambulanz eintraf und durch den Beklagten zu 2 untersucht wurde. Gegen 16 Uhr 30 suchte sie die Toilette auf, wo sie kollabierte. Unmittelbar hiernach trat eine Lähmung der linken Körperhälfte auf. Die Klägerin wurde auf die Stroke Unit im Hause der Beklagten verbracht. Dort diagnostizierte man einen Infarkt im Mediastromgebiet rechts bei Verschluss der Arteria carotis interna rechts.

Nach Verlegung auf die Allgemeinstation konnte die Klägerin am 07.11.2012 aus der stationären Behandlung entlassen werden.

Die Klägerin hat die Beklagten wegen behaupteter Behandlungsfehler auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Höhe von mindestens 300.000 EUR in Anspruch genommen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für vergangene und künftig noch entstehende materielle und immaterielle Schäden verlangt. Sie hat - gestützt auf von ihr eingeholte Gutachten zweier Sachverständiger (Dr. A und Prof. Dr. B) - behauptet, bereits zum Zeitpunkt vor ihrer Einlieferung seien neurologische Defizite in Form von Beinschwäche, Sprachschwierigkeiten und hängendem Mundwinkel aufgetreten, was sowohl seitens des Notarztes als auch des Beklagten zu 2 zu bemerken gewesen sei. Diese sichtbaren Symptome für ein zerebrales Geschehen zum Zeitpunkt der Einlieferung seien verkannt und dadurch es unterlassen worden, sie unmittelbar auf die Stroke Unit zu verlegen. Bei zeitnäherem Beginn der Behandlung wäre der Verschluss der Arterie zu verhindern gewesen. Auf der Stroke Unit seien ferner dringend notwendige Untersuchungen verzögert durchgeführt worden (MRT, Doppler- und Duplexsonografie). Die vorhandenen Risikofaktoren, eine familiäre Vorbelastung, der Bluthochdruck, der Nikotinabusus und eine einige Monate zuvor aufgetretene Sehstörung, die zu einem Aufenthalt im Krankenhaus E geführt und den Ärzten im Krankenhaus der Beklagten zu 1 mitgeteilt worden sei, seien nicht beachtet worden. Sie leide als Folge des Schlaganfalls unter starken Bewegungseinschränkungen. Ein eigenständiges Leben sei nicht mehr möglich. Es bestehe eine Schwerbehinderung von 80 %. Sie empfinde durchgehend Schmerzen. Durch die Medikation sei sie zeitweise inkontinent gewesen. Neben den körperlichen Einschränkungen, könne sie ein soziales Leben nicht aufrechterhalten und sei psychisch stark beeinträchtigt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie aus der fehlerhaften Behandlung vom Oktober 2012 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 300.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.08.2014.

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr sämtliche ...

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