Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz aus ärztlicher Behandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist in der medizinischen Literatur und Praxis unbekannt, dass der Eingriff die beim Patienten konkret aufgetretenen Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, haften diese Risiken dem Eingriff nicht spezifisch an und ist darüber nicht aufzuklären.

2. Ein Arzt, an den ein Patient zur Durchführung eines bestimmten, medizinisch indizierten diagnostischen Eingriffs überwiesen wurde, ist an den Überweisungsauftrag gebunden und schuldet keine allgemeine Aufklärung über andere Methoden der Befunderhebung.

3. Ein Entscheidungskonflikt ist in der Regel nicht plausibel dargelegt, wenn der Patient den Vortrag immer wieder wechselt, die nach dem letzten Vortrag aufklärungsbedürftigen Risiken geringfügig sind und der Patient solchen Eingriffen schon mehrfach zugestimmt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 847

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 15.04.1997 – 4 0 88/95 – wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten und durch Sicherheitsleistung in Höhe DM 14.000,00 vorläufig abwenden, sofern nicht diese vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Sicherheitsleistung kann jeweils durch schriftliche, selbstschuldnerische, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

 

Tatbestand

Die Klägerin litt im Sommer 1994 unter therapieresistenten Wirbelsäulenbeschwerden. Da die behandelnden Ärzte eine Destruktion im Wirbelsäulenbereich ausschließen wollten, überwiesen sie die Klägerin an den Beklagten zu 1 zur Durchführung eines Ganzkörperknochenszintigrammes. Die Beklagte zu 2, eine bei dem Beklagten zu 1 angestellte Fachärztin für Radiologie, führte am 25.08.1994 die Untersuchung der Klägerin durch und injizierte das für die beabsichtigte Diagnostik benötigte Nuklid (555 Mbq 99 mTc-HDP) in eine Vene der linken Ellenbeugenregion. Anschließend wurde die Ganzkörperaufnahme der Klägerin gefertigt. Bei dieser Injektion drang eine im einzelnen zwischen den Parteien streitige Menge des injizierten Nuklids in das umliegende Gewebe ein.

Die Klägerin hat behauptet, am 27.08.1994 habe sie unter zunehmenden Schmerzen im Bereich der linken Ellenbeuge gelitten, die sich in einer Weise gesteigert hätten, dass sie in der Nacht zum 28.08.1994 den ärztlichen Notdienst habe in Anspruch nehmen müssen. Trotz ständiger ärztlicher Behandlung und verschiedenster Maßnahmen habe sie in der Folgezeit keine Linderung ihrer Schmerzen erreichen können. Ursache dieser Beschwerden sei ganz offensichtlich, dass eine nicht unerhebliche Menge des verwendeten Kontrastmittels para gelaufen sei und sich ein Paravasat in der linken Ellenbeuge gebildet habe mit der Folge, dass die dort verlaufenden Nervenäste, Lymphbahnen, Arteriolen und venösen Gefäße sowie der Kapselapparat des Ellenbogengelenks und das Gewebe geschädigt worden seien.

Außerdem habe eine Aufklärung nicht stattgefunden. Bei einer Aufklärung über den Eintritt des Schadens hätte sie sich für eine geringer invasive Maßnahme entschieden.

Die Folgen des Eingriffs und die verbliebenen Beeinträchtigungen rechtfertigen ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens DM 45.000,00. Außerdem sei ihr ein Haushaltsführungsschaden entstanden.

Die Klägerin hat beantragt:

  1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin aufgrund des diagnostischen Eingriffes vom 25.08.1994 ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 01.04.1995 zu zahlen.
  2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 10.200,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klagzustellung zu zahlen.
  3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen zukünftigen materiellen und – ab letzter mündlicher Verhandlung erster Instanz – immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem ärztlichen Heileingriff vom 25.08.1995 entstehen wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, die Behandlung sei regelgerecht gewesen, eine größere Menge des Nuklids sei nicht in das Gewebe eingedrungen. Das Eindringen einer geringen Menge könne auch bei sorgfältigster Durchführung der Injektion nicht ausgeschlossen werden. Es sei auch ausgeschlossen, dass dadurch die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden und Beeinträchtigungen eingetreten seien. Die Klägerin sei vor der Injektion ausreichend aufgeklärt worden. Veranlassung, von der durch den überweisenden und behandelnden Orthopäden vorgegebenen Untersuchungsmaßnahme abzuweichen, habe nicht bestanden.

Durch das angegriffene Urteil, auf das auch wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand erster Instanz verwiesen wird, ist die Klage abgewiesen worden, da weder ein Behandlungsfehler vor...

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