Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Tilgungsbestimmungsrecht des Insolvenzverwalters bei Auskehr des Verwertungserlöses für dem Vermieterpfandrecht unterliegende Gegenstände
Normenkette
BGB § 366 Abs. 1, § 367; InsO §§ 50, 55, 170 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG O. vom 12.10.2012 (2 O 250/12) abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 289.251,57 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 47.155,55 EUR seit dem 5.1.2012, auf weitere 61.626,53 EUR seit dem 4.2.2012, auf weitere 61.626,53 EUR seit dem 6.3.2012, auf weitere 61.626,53 EUR seit dem 5.4.2012 sowie auf weitere 57.216,43 EUR seit dem 7.7.200212 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt EUR 289.251,57.
Gründe
I. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter in dem am 2.12.2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der X. GmbH, R.. Mit Vertrag aus November 2003 hatte die Schuldnerin von der Klägerin gewerbliche Flächen in O. zu einem Mietzins von (zuletzt) brutto EUR 61.626,53/Monat angemietet. Die Klage geht auf Zahlung von Mietzins und Nebenkosten ( EUR 289.251,57) für den Zeitraum Januar 2012 bis April 2012, einen Zeitraum, in welchem die Weiternutzung der Immobilie nach Insolvenzverfahrenseröffnung erfolgte (Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 InsO).
Im Zuge der Abrechnung der Verwertung des dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin hat der Beklagte EUR 898.526 dergestalt abgerechnet, dass er bei den Einzelzahlungen ( EUR 300.000 am 15.5.2012, EUR 312,515 am 29.6.2012 und 286.011 am 2.7.2012) jeweils die Bestimmung traf, dass vorrangig auf die noch offenstehenden Masseverbindlichkeiten und sodann erst mit dem verbleibenden Rest auf Insolvenzforderungen verrechnet werde.
Die Klägerin hält die erfolgte Tilgungsbestimmung für unbeachtlich, dem Beklagten stehe ein derartiges Recht nicht zu. Die ausbezahlten Beträge müssten nämlich zunächst auf durch das Absonderungsrecht (§ 50 InsO) gesicherte Insolvenzforderungen erfolgen. Einen Betrag i. H. der Klageforderung habe der Beklagte so unzulässigerweise statt auf die offene Insolvenzforderung ( EUR 793.575,21) auf die Masseverbindlichkeiten für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnet.
Der Beklagte meint, ihm stehe das Tilgungsbestimmungsrecht zu; er beruft sich zur Rechtfertigung im Einzelnen auf die Argumentation aus einem Urteil des OLG Dresden vom 19.10.2011 (NZI 2011, 995).
Das LG hat die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, die Klageforderung sei bereits erfüllt, denn die erfolgten Tilgungsbestimmungen seien rechtlich wirksam. Schon durch die Abrechnung des ersten Betrages am 15.5.2012 ( EUR 300.000,00) seien daher zuerst die im vorliegenden Verfahren geforderten Kaltmieten Januar bis April 2012 i.H.v. EUR 232.035,14 ebenso erfüllt worden wie sodann der erhobene Anspruch auf Zahlung von Nebenkosten ( EUR 57.216,43).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die geltend macht, das LG habe sich zu Unrecht und im Übrigen sogar kritiklos der Sichtweise des OLG Dresden angeschlossen. Dass der Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage durch das OLG Dresden nicht gefolgt werden dürfte, ergebe sich aus der (von der Klägerin im Einzelnen aufgegriffenen und dargelegten) Kritik des Urteils durch Lütcke NZI 2012, 262 und Mitlehner EWiR 2011, 819).
Die Klägerin beantragt, auf die Berufung hin das Urteil des LG O. vom 12.10.2012 (2 O 250/12) entsprechend den in erster Instanz zuletzt gestellten Klageanträgen abzuändern.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für richtig und er ergänzt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.
II. Die zulässige Berufung ist begründet. Der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung des der Entscheidung des OLG Dresden vom 19.10.2011 (ZIP 2011, 266 ff.) sich anschließenden LG, dass der Beklagte durch seine Tilgungsbestimmungen bei der Abrechnung der Verwertung des dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin die hier eingeklagten, nach Insolvenzverfahrenseröffnung entstandenen Mietforderungen bereits getilgt hat. Die entsprechende Tilgungsbestimmung ist vielmehr unwirksam. Die Verwertungsabrechnung muss nämlich zunächst auf die durch das Absonderungsrecht (§ 50 InsO) gesicherten Insolvenzforderungen erfolgen und steht dann erst zur Verrechnung im Übrigen, also auf die (hier betroffene...