Leitsatz (amtlich)
Die Zuständigkeit des Gerichts für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entfällt nicht dadurch, dass nach Einreichung des Antrags andernorts Hauptsacheklage erhoben wird.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 23.12.2009; Aktenzeichen 5 O 415/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 23.12.2009 - 5 O 415/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr folgende Angabe zu verwenden:
"L. ist der größte Kompletthersteller der Branche".
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfügungsverfahrens tragen die Verfügungsklägerin 13/14, die Verfügungsbeklagte 1/14.
Tatbestand
Die Parteien sind Unternehmen, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Lasersystemen sowie der Konzeption und Programmierung sog. Lasershows beschäftigen.
Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) wendet sich gegen zahlreiche Aussagen der Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagte), die sich auf deren Homepage finden. Sie meint, die Beklagte nehme mit diesen Aussagen zu Unrecht eine Spitzenstellung oder die Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe für ihr Unternehmen und für einzelne Produkte in Anspruch.
Die Klägerin hat beim LG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, der dort am 6.11.2009 eingegangen ist:
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das LG Karlsruhe sei örtlich zuständig. Die Erhebung einer Widerklage mit den gleichen Anträgen in einem vor dem LG Stuttgart zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit könne die örtliche Zuständigkeit des LG Karlsruhe nicht in Frage stellen, weil sie zeitlich nach der Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfolgte.
Die Beklagte ist dem Antrag entgegen getreten.
Sie hat gerügt, das LG Karlsruhe sei örtlich nicht zuständig. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass die hiesige Klägerin in einem Rechtsstreit vor dem LG Stuttgart - 17 O 345/09 - mit Schriftsatz vom 13.11.2009 gegen die hiesige Beklagte Widerklage mit einem Unterlassungsantrag erhoben hat, der dem Verfügungsantrag entspricht (Anlage AG 1). Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, damit sei das LG Stuttgart Gericht der Hauptsache i.S.v. § 937 ZPO, das LG Karlsruhe mithin unzuständig. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO sei hier nicht einschlägig. Für die Frage der Zuständigkeit komme es vielmehr auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an.
Die Beklagte hat ferner die Ansicht vertreten, es fehle an einem Verfügungsgrund. Im Hinblick darauf, dass es im März 2008 zu rechtlichen Auseinandersetzungen der Parteien gekommen sei, sei es unglaubwürdig, wenn die Klägerin nunmehr behaupte, erst jetzt die Internet-Präsentation der Beklagten zur Kenntnis genommen zu haben. Die überwiegende Anzahl der jetzt angegriffenen Aussagen habe sich schon 2008 auf der Homepage gefunden. Jedenfalls von den angegriffenen Aussagen 2, 3, 4, 5, 8 und 14 habe die Klägerin spätestens am 10.9.2009 Kenntnis erlangt, da ihr zu diesem Zeitpunkt ein entsprechender Internet-Ausdruck im Rahmen des Rechtsstreits vor dem LG Stuttgart als dortige Anlage K 2 mit der Klageschrift zugestellt worden sei.
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig angesehen. Es fehle an der örtlichen Zuständigkeit. Zuständig sei nach § 937 Abs. 1 ZPO das Gericht der Hauptsache. Das sei das LG Stuttgart, nachdem die Beklagte dort Widerklage mit gleichen Anträgen erhoben hat. Abzustellen sei nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung, sondern auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über den Verfügungsantrag.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre Anträge erster Instanz weiter verfolgt. Sie meint, das LG habe seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint. Hilfsweise beantragt sie Verweisung an das LG Stuttgart.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel und dem Verweisungsantrag entgegen. Sie ist der Ansicht, das LG habe seine Zuständigkeit zu Recht verneint. Maßgeblich sei insoweit die Regelung in § 937 Abs. 1 ZPO, der sich entnehmen lasse, dass die Zuständigkeit für die Hauptsache und das Verfahren einstweiliger Verfügung beim gleichen Gericht liegen sollten. Die Regelung in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO habe demgegenüber zurückzutreten. Ohnehin sei das LG Karlsruhe örtlich nicht zuständig gewesen. Auf § 14 Abs. 2 UWG könne sich die Klägerin insoweit nicht stützen, weil nicht dargetan sei, dass sich die beanstandeten Werbeaussagen gerade im Bezirk dieses Gerichts auswirken könnte...