Leitsatz (amtlich)
Zahlt der verurteilte Beklagte die Urteilssumme vor Rechtskraft des von ihm angefochtenen Urteils unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Falle eines Erfolges seines Rechtsmittels, hat dies keine Erfüllungswirkung. Der Kläger, der die Zahlung deshalb zurückweist, gerät gleichwohl in Annahmeverzug mit der Folge, dass der Beklagte ihm von da an weder Verzugs- noch Prozesszinsen schuldet.
Normenkette
BGB § 362 Abs. 1, § 371 S. 1; ZPO § 767 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 15.12.2009; Aktenzeichen 2 O 183/09) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 15.12.2009 - 2 O 183/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:
1. Die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 4.1.2008 - 17 U 406/06 - wird für unzulässig erklärt.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des OLG Karlsruhe vom 4.1.2008 - 17 U 406/06 - an die Klägerin herauszugeben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Vollstreckung in der Hauptsache darf der Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 1.000.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 974.109,25 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich gegen die Vollstreckung von Verzugszinsforderungen aus einem Urteil, dessen titulierte Hauptforderung sie erfüllt hat.
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der K.. In dieser Eigenschaft hat er gegen die Klägerin, bei der die Insolvenzschuldnerin ein Kontokorrentkonto unterhielt, im erstinstanzlich vor dem LG Karlsruhe geführten Vorprozess 2 O 465/05 ein am 4.1.2008 verkündetes Berufungsurteil des Senats - 17 U 406/06 - erstritten, durch das die Klägerin zur Zahlung von 9.979.906,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % für den Zeitraum vom 1.6.2000 bis zum 19.5.2002 und i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.5.2002 verurteilt worden ist. Der Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.1.2008 aufgefordert, den ihm zuerkannten Betrag nebst von ihm (für den Zeitraum bis zum 28.1.2008) auf 4.852.929 EUR berechneter Zinsen auf eines der Konten seiner Rechtsanwälte zu zahlen. Auf Anfrage der Klägerin, die in der Zwischenzeit gegen das Urteil vom 4.1.2008 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hatte, hat er ihr mit Schreiben vom 19.2.2008 allerdings mitgeteilt, dass er bis auf Weiteres nicht beabsichtige, die Zwangsvollstreckung aus dem (für ihn ohne Sicherheitsleistung, jedoch mit Abwendungsbefugnis zugunsten der Klägerin) für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil zu betreiben. Dennoch hat die Klägerin am 3.3.2008 den Betrag von 14.909.266,88 EUR (die Hauptforderung sowie die titulierten Zinsen bis einschließlich 3.3.2008) auf ein Konto der Prozessbevollmächtigten des Beklagten überwiesen. Zuvor hatte sie mit Schreiben vom 28.2.2008 erklärt, dass diese Zahlung "lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 4.1.2008" erfolge und deshalb "ausdrücklich nicht" als "Erfüllung der [vom Beklagten] behaupteten Zahlungsansprüche ... betrachtet werden" könne. Aufgrund dieses Vorbehalts hat der Beklagte mit Schreiben vom 3.3.2008 die Annahme des überwiesenen Betrages verweigert und diesen unmittelbar wieder an die Klägerin zurücküberwiesen.
Die Klägerin hat den Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 19.5.2008 darauf hingewiesen, dass er sich aus ihrer Sicht in Annahmeverzug befinde, und auf eine weitere Zahlungsaufforderung des Beklagten vom 5.12.2008 mit Schreiben vom 18.12.2008 erklärt, dass sie "unter dem ausdrücklichen Vorbehalt ..., dass diese Zahlung zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen"... erfolge "und unter den Vorbehalt der Rückforderung gestellt" werde, "falls am Ende ... die Klage ... rechtskräftig abgewiesen werden sollte", weiterhin zur Zahlung des ausgeurteilten Betrages bereit sei. Zur endgültigen Begleichung der Hauptforderung von 9.979.906,23 EUR sowie der titulierten Zinsen bis einschließlich 3.3.2008 ist es allerdings erst am 5.6.2009 gekommen, nachdem der BGH durch Beschl. v. 7.5.2009 - IX ZR 22/08 - die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil vom 4.1.2008 zurückgewiesen hatte.
Die vom Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 5.6.2009 (unter Androhung der Zwangsvollstreckung) erhobene Forderung, auch noch die weiteren vom 4.3.2008 bis zum 4.6.2009 angefallenen Verzugszinsen ( i.H.v. 961.438,87 EUR) zu zahlen, hat die Klägerin zu...