Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Aktenzeichen 5 O 459/11) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 15. September 2016 - 5 O 459/11 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht mit der Klage wegen von ihr behaupteter Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit ihrer Geburt in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Klinikum Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Arzthaftung geltend.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug einschließlich der dort gestellten Anträge sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgen. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der Antragstellung auf die Sitzungsniederschrift vom 17.01.2018 (II 99 f.). Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. F. S. und Prof. Dr. R. H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.01.2018 (II 99-109) verwiesen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist abzuweisen.
Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des Landgerichts weder aus Vertrag gem. §§ 280, 611, 253, 249 BGB noch aus deliktischer Haftung gem. §§ 823 Abs. 1, 253, 249 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie die begehrte Feststellung.
A) Die Beklagten haften der Klägerin nicht wegen Behandlungsfehlern. Zwar gelingt der Klägerin der Nachweis eines fehlerhaften Behandlungsgeschehens. Es steht jedoch nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beeinträchtigungen, mit denen sie ihre Forderungen begründet, darauf beruhen. Beweiserleichterungen kommen ihr nicht zu Gute.
1. Die Begründung des Landgerichts trägt die Verurteilung der Beklagten nicht.
a) Es handelt sich nicht um einen Befunderhebungsfehler, wenn die Beklagte zu 2 es behandlungsfehlerhaft unterließ, spätestens ab 19:00 Uhr die Voraussetzungen für eine extrauterine Behandlung der Klägerin durch einen Kaiserschnitt zu schaffen. Die vom Landgericht geforderte extrauterine Befundung war an der Klägerin zum Einen noch nicht möglich, solange sie nicht geboren war. Eine Fehlbeurteilung bei der Frage, ob es aus medizinischen Gründen geboten war, die natürliche Geburt der Klägerin durch eine Sectio zu beenden, stellt jedoch keinen Befunderhebungsfehler dar. Der Kern des Vorwurfs geht entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht dahin, Befunde nicht oder nicht rechtzeitig erhoben zu haben, sondern bei begründetem Verdacht auf Vorliegen eines Amnioninfektionssyndrom (fortan: AIS) nicht die Voraussetzungen für eine unmittelbare Behandlung der Klägerin, insbesondere auch ihre medizinisch gebotene unmittelbare antibiotische Versorgung, geschaffen zu haben. Damit steht im Vordergrund der Vorwurf, die Voraussetzungen für die Einleitung der gebotenen Therapie nicht rechtzeitig geschaffen zu haben. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Befunderhebungsfehler.
b) Das Landgericht ist im Übrigen seiner Verpflichtung, den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen in den Ausführungen des Sachverständigen von Amts wegen nachzugehen (vgl. BGH, NJW 2016, 639 ff., Tz. 6 m.w.N., juris), nicht vollständig nachgekommen. Es hat das von den Beklagten mit Schriftsatz vom 01.06.2016 (I 893) vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug vorgelegte Gutachten des privaten Sachverständigen Prof. Dr. S. vom 22.04.2016 (AH III, 1-35) nicht gewürdigt. Dessen Ausführungen stehen hinsichtlich der Bewertung des Behandlungsgeschehens als fehlerhaft in Widerspruch zu denjenigen der gerichtlichen Sachverständigen, ohne dass das Landgericht - wie die Berufung zutreffend rügt - dem näher nachgegangen ist.
2. Zu Recht hat das Landgericht allerdings einen Behandlungsfehler darin gesehen, dass die Klägerin am 22.04.2007 nicht jedenfalls bis 20:40 Uhr mittels einer Sectio entbunden wurde.
Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat ausgeführt (vgl. Gutachten vom 20.01.2013, S. 11/12, I 329/331), gegen 17:00 Uhr habe man von einem beginnenden AIS ausgehen müssen. Unter Berücksichtigung der zum damaligen Zeitpunkt gültigen S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ha...