Leitsatz (amtlich)
1. Eine (vor-)vertragliche Nebenpflicht des Verkäufers, ungefragt die Erwerbsumstände mitzuteilen, besteht bei Kaufvertragsverhandlungen von Privatpersonen grundsätzlich nicht, auch wenn sich diese auf ein Kunstobjekt (Gemälde) beziehen.
2. Ein kaufrechtliche Gewährleistung auslösender Mangel eines unsignierten Kunstobjekts (hier Gemälde von "Boudin"), für das eine Expertise vorgewiesen wird, liegt nicht bereits dann vor, wenn das Werk nicht im Werkverzeichnis für den Künstler enthalten ist, es sei denn die Vertragsparteien hätten eine solche Beschaffenheit bei Vertragsabschluss vereinbart.
3. Zum Vorliegen von Arglist (hier nicht gegeben).
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 18.12.2012; Aktenzeichen 11 O 62/11) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Mannheim vom 18.12.2012 - 11 O 62/11 - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Mannheim vom 18.12.2012 - 11 O 62/11 - im Kostenpunkt aufgehoben und, soweit es der Klage stattgegeben hat, geändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 106.200 EUR festgesetzt (Berufung des Klägers: 80.200 EUR; Berufung des Beklagten: 26.000 EUR).
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten nach dem Erwerb eines Gemäldes auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Beklagte hatte verschiedene Gemälde, u.a. den streitbefangenen "Boudin", über "eBay" in der Kategorie "Antiquitäten & Kunst ≫ Malerei ≫ Gemälde 1800-1899 ≫ Originale der Zeit" zum Verkauf angeboten. Das vom Maler nicht signierte und nicht datierte Gemälde, das der Beklagte am 17.9.2008 im M. Auktionshaus N. zum Preis von 6.710 EUR (5.500 EUR zzgl. Aufgeld von 1.210 EUR) erworben hatte (vgl. Rechnung, I 54), war von ihm wie folgt beschrieben (Anlage K 1):
"Ölgemälde Eugène Boudin mit Fotoexpertise 12.7.1824 Honfleur - 8.8.1898 in Deauville".
Nach telefonischer Kontaktaufnahme traf sich der Kläger am 25.3.2009 mit dem Beklagten in dessen Wohnung in M.. Er besichtigte das Bild und nahm Einsicht in die "Expertise" - ein handgeschriebenes Schriftstück des "E. Generaldirektors der Staatlichen Museen in Berlin Geheimrat Prof. Dr. H. Z." von Dezember 1961. Darin heißt es u.a. (vgl. Anlage K 2):
"Das umseitig wiedergegebene Ölbild auf Holz 34,5 × 47,3 cm habe ich im Original untersucht. Es ist eine Arbeit von Eugène Boudin (1824 - 1898), des bekanntesten Interpreten der Küstenlandschaft der Normandie und Bretagne in seiner Zeit ...".
Nach einer Bedenkzeit, innerhalb derer der Kläger die Wohnung des Beklagten verlassen hatte, erwarb er nach Rückkehr noch am selben Tag das Bild zum Preis von 26.000 EUR. Die Parteien unterzeichneten ein mit "Quittung" bezeichnetes Schriftstück (Anlage K 8). Darin heißt es u.a.: "Laut Foto-Expertise von Prof. Dr. Z. handelt es sich um ein original Werk des Malers Eugene Boudin".
Mit Schreiben vom 13.8.2009 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag, hilfsweise die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (Anlage K 10). Mit Schreiben vom 29.11.2011 (Anlage K 43) erneuerte der Kläger die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Hilfsweise erklärte er die Anfechtung seiner Vertragserklärung auch wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft.
Der Kläger hat behauptet, das Gemälde sei keine Arbeit von Eugène Boudin. Das Gemälde sei - insoweit unstreitig - nicht im Werkverzeichnis der Experten Robert und Manuel Schmit, Paris, aufgeführt. Manuel Schmit habe nach Begutachtung die Ansicht vertreten, das Bild sei kein Originalwerk von Eugène Boudin. Auch habe das Auktionshaus Ch. auf eine Anfrage seinerseits erklärt, das Gemälde sei für den internationalen Markt nicht geeignet.
Der Kläger hat ferner behauptet, im Falle der Echtheit des Gemäldes wäre dieses mindestens 120.000 EUR wert gewesen. Unter Abzug der Verkäuferprovision sowie der Versicherung i.H.v. 11,5 % sei ihm daher ein Schaden von 106.200 EUR entstanden.
Er hat gemeint, das Werk sei mangelhaft, weil es ihm als echtes Gemälde von Eugène Boudin verkauft worden sei. Da der einzige anerkannte Experte Manuel Schmit das Bild als nicht von Eugène Boudin stammend einstufe, sei es als Arbeit von Eugène Boudin nicht verkäuflich. Dies stelle einen Mangel dar, der den Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag gerechtfertigt habe. Der Beklagte hafte auf das positive Interesse, weil er zumindest fahrlässig gehandelt habe. Der Beklagte habe angesichts des Umstands, dass er das Werk selbst etwa ein halbes Jahr vor dem Verkauf für 5.500 EUR zzgl. Aufgeld (nur) "als Boudin zugeschrieben" erworben habe, gewusst, dass das Bild nicht echt sei.
Auch die Anfechtung des Ka...