Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis eines versicherten Unfalls in der Kfz-Kaskoversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Kann der Sachverhalt im Einzelnen nicht aufgeklärt werden, steht jedoch fest, dass die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einem Unfall im versicherten Zeitraum beruhen können, so reicht diese Feststellung an sich aus, um die Einstandspflicht des Versicherers zu begründen.
2. Das Gericht hat aber nur über den ihm unterbreiteten Streitgegenstand zu entscheiden, den der Kläger im Rahmen des ihm nach den Umständen Möglichen und Zumutbaren zu individualisieren hat. Der Schaden muss somit auf einem Unfall in dem vom Kläger vorgetragenen räumlich-zeitlichen Zusammenhang beruhen.
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 14.12.2023; Aktenzeichen 1 O 133/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen, soweit die Klägerin Zinsen auf den Klageantrag zu Ziff. 1 für den Zeitraum vor dem 21.05.2022 begehrt, und im Übrigen zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgericht Baden-Baden vom 14.12.2023, Az. 1 O 133/22, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
2.1. Die Beklagte wird verurteilt, an die B. Bank 10.710,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab dem 21.05.2022 zu zahlen.
2.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben in beiden Instanzen die Klägerin 33 % und die Beklagte 67 % zu tragen.
5. Dieses Urteil sowie das abgeänderte Urteil des Landgericht Baden-Baden vom 14.12.2023, Az. 1 O 133/22, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
6. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Versicherung aus einer Kaskoversicherung in Anspruch.
Die Klägerin hatte bei der Beklagten für das Fahrzeug BMW, FIN: ..., mit dem amtliches Kennzeichen ... (im Folgenden: streitgegenständliches Fahrzeug) eine Vollkaskoversicherung mit 300,00 EUR Selbstbehalt einschließlich einer Teilkaskoversicherung mit 150 EUR Selbstbehalt auf Grundlage der AKB der Beklagten (Anlage K13) abgeschlossen (vgl. Nachtrag zum Versicherungsschein vom 21.02.2019, Anlage K1). Das streitgegenständliche Fahrzeug war durch die B. Bank finanziert. Die Klägerin hat Ansprüche auf Versicherungsleistungen gegen die Beklagte an diese abgetreten und wurde von dieser mit Schreiben vom 26.01.2021 (Anlage K2) ermächtigt, die Ansprüche in eigenem Namen gerichtlich geltend zu machen.
Am Montag, den 20.07.2020, übersandte die Klägerin über ihren Versicherungsmakler eine Schadensanzeige nebst Unfallbericht an die Beklagte (Anlage K9), wobei ein Zusammenstoß des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem entgegenkommenden Fahrzeug am Sonntag, den 19.07.2020, um 00:10 Uhr in der B-Straße in Bietigheim in Fahrtrichtung Durmersheim mitgeteilt wurde.
Am 24.07.2020 beauftragte die Klägerin ein Abschleppunternehmen, wobei im Auftrag angegeben war, es werde keine Polizei gewünscht. Das Abschleppunternehmen informierte darauf seinerseits die Polizei. Diese fertigte unter dem 24.07.2020 einen Vorkommnisbericht (Anlage B1), wonach vor Ort eine vorliegende Straftat (Unfallflucht) habe ausgeschlossen werden können. Die Unfallbeteiligten hätten sich vor Ort geeinigt und auch die Personalien ausgetauscht.
Ein durch die Beklagte eingeholtes Schadensgutachten des Ingenieurbüros Sch. vom 30.07.2020 (Anlage K4) bezifferte die Reparaturkosten für einen im Zeitpunkt der Begutachtung an dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorne links vorhanden Schaden auf 14.061,22 EUR netto (16.311,02 EUR brutto) sowie den Wiederbeschaffungswert auf 25.781,25 EUR netto (26.400,00 EUR brutto) und den Restwert auf 15.390,00 EUR.
Die Klägerin ließ die Beklagte vorgerichtlich durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.11.2020 (Anlage K5) auffordern, bis zum 26.11.2020 ihre Entschädigungspflicht auf der Grundlage des von der Beklagten eingeholten Gutachtens anzuerkennen. Mit E-Mail vom 04.12.2020 (Anlage K6) teilte die Beklagte mit, sie habe sich von ihrer Leistungspflicht nicht überzeugen können; eine Zahlung könne nicht erfolgen. Mit Schreiben vom 17.02.2021 (Anlage K7) ließ die Klägerin die Beklagte zur Begleichung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß anliegender Kostennote über 1.029,35 EUR auffordern.
Der behauptete Unfallgegner, der Zeuge R., hat gegenüber der Beklagten keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht.
Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet,
am 19.07.2020 gegen 00:10 Uhr sei das streitgegenständliche Fahrzeug von ihrem Ehemann, dem Zeugen F., gesteuert worden, als es in der B-Straße in Bietigheim in Richtung Durmersheim zu einem Unfall gekommen sei. Aus Unachtsamkeit sei der Zeuge F. auf die Gegenfahrbahn gekommen und mit dem Fahrzeug des Zeugen R. mit dem amtlichen Kennzeichen RA- ... zusammengestoßen. Hierbei sei an beiden Fahrzeugen ein Sachschaden entstanden. Der Zeuge...