Entscheidungsstichwort (Thema)
Unklare Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F.
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Belehrung nach § 5a VVG a.F. (ab 01.09.2001 geltende Fassung) ist nicht ordnungsgemäß und löst die Widerspruchsfrist nicht aus, wenn sie mit einem Konditionalsatz beginnt ("Wenn...") und der Versicherungsnehmer danach im Rahmen eigener Subsumtion des Sachverhalts unter die in der Belehrung genannten Voraussetzungen ermitteln muss, ob ihm ein Widerspruchsrecht zusteht. Der Versicherer muss sich im Rahmen der Belehrung zum Bestehen eines Widerspruchsrechts bekennen.
2. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass ein Versicherungsnehmer, der sein Recht, sich vom Vertrag zu lösen, anwaltlich vertreten ausübt, sich nicht darauf berufen kann, dass der Beginn der Verjährungsfrist auch anschließend noch bis zur Klärung der Rechtslage durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101) hinausgeschoben gewesen sei (Senatsurteil vom 21.07.2017 - 12 U 75/17, juris Rn. 35 m.w.N.).
Normenkette
VVG § 5a Fassung: 2001-09-01
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 30.05.2017; Aktenzeichen 4 O 525/15) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer IV - vom 30. Mai 2017 - 4 O 525/15 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen sowie - im Wege der Stufenklage - die Herausgabe gezogener Nutzungen nach Beendigung einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
Diese hatte der Kläger 2004 bei der Beklagten im Policenmodell abgeschlossen. Der ihm übersandte Versicherungsschein enthielt auf Seite 4 unter der Überschrift "Widerspruchsrecht" folgenden Text in Dickdruck:
"Die für den Vertrag geltenden Versicherungsbedingungen [...] und weitere Verbraucherinformationen nach § 10 a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) erhalten Sie mit diesem Versicherungsschein.
Wenn die für den Vertrag geltenden Versicherungsbedingungen oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG erst zusammen mit dem Versicherungsschein übermittelt werden, gilt der Vertrag auf Grundlage des Versicherungsscheines, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen (Absendung genügt) nach Überlassen der Unterlagen in Textform widerspricht.
Die Widerspruchsfrist beginnt zu laufen, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und alle genannten Unterlagen vorliegen."
In der Folge bezahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Gesamthöhe von 75.000 EUR. Im Jahr 2008 vereinbarte er eine Beitragsstundung; ein Jahr später änderte er die Bezugsberechtigung. Unter dem 3. Dezember 2008 trat er sämtliche Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis in Höhe eines erstrangigen Teilbetrags von 14.000 EUR als Kreditsicherheit an die V. Bank ab. Die Rückabtretung erfolgte 2010.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Januar 2011 ließ der Kläger "den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG, bzw. den Widerruf nach § 355 BGB, höchstfürsorglich die Anfechtung nach § 119 I BGB, hilfsweise die Kündigung" erklären und verlangte die Rückabwicklung des Versicherungsvertrags, welche die Beklagte, die lediglich die Kündigung anerkannte, ablehnte. Mit Schreiben 6. April 2011 rechnete sie den Vertrag ab, wobei sie den Rückkaufswert zum 1. April 2011 mit 67.597,21 EUR angab. Diesen zahlte sie nach Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag an den Kläger aus.
Mit seiner im Jahr 2015 erhobenen Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung aller entrichteten Versicherungsbeiträge abzüglich der 2011 erfolgten Auszahlung sowie im Wege der Stufenklage Auskunft und Zahlung betreffend die von der Beklagten aus den einzelnen Prämienbestandteilten gezogenen Nutzungen. Er macht geltend, die Widerspruchsfrist sei nicht angelaufen, weil die Widerspruchsbelehrung drucktechnisch nicht deutlich hervorgehoben und inhaltlich unzureichend gewesen sei. Seine sich daraus ergebenden Ansprüche seien weder verwirkt noch verjährt. Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-209/12 sei ihm die Klageerhebung unzumutbar gewesen. Die Beklagte hält die erteilte Belehrung für genügend, erhebt die Einrede der Verjährung und beruft sich auf Verwirkung.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass etwaige Rückabwicklungsansprüche des Klägers verjährt seien. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
I. Der Kläger begehrt die...