Leitsatz (amtlich)
1. Ein Weg auf einem öffentlichen Sportgelände, dessen Benutzung mit dem Fahrrad oder zu Fuß jedermann gestattet ist, ist eine Straße im Sinne der §§ 32 StVO, 315b StGB.
2. Wer für Balanceübungen ein Gurtband ("Slackline") quer zum Verlauf eines für Fahrradfahrer zugelassenen Weges spannt, bereitet ein verkehrsgefährdendes Hindernis im Sinne der §§ 32 StVO, 315b StGB.
3. Die gebotene Sorgfalt eines Fahrradfahrers bezüglich des vorausschauenden Fahrens erfordert es nicht, die Straße so sorgfältig zu beobachten, dass auch auf ein völlig untypisches, auf eine Distanz von mehr als fünf Metern nicht erkennbares Hindernis rechtzeitig reagiert werden kann.
4. Eine durch den Unfall verursachte Einschränkung in der beruflichen Zukunftsplanung - hier: als Fachärztin für Gynäkologie nicht mehr chirurgisch und im Kreissaal tätig sein zu können - ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes maßgeblich zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 14 O 435/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 23.03.2016 (14 O 435/12) wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 5.023,81 EUR zu zahlen, zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2013.
2. Die Beklagten werden ferner verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 EUR zu zahlen, zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2013.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin als Gesamtschuldner alle eventuell noch eintretenden zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 24.10.2009 zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
4. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.474,89 EUR zu zahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2013.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 62.968,31 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt Schadensersatz in Zusammenhang mit einem Fahrradunfall, der sich am 24.10.2009 in Freiburg ereignete.
An diesem Tag fuhr die Klägerin gegen 14.30 Uhr mit ihrem Fahrrad auf einem 3,4 m breiten Rad- und Fußweg im allgemein zugänglichen Sportgelände des Freiburger Stadtteils Rieselfeld. Die Beklagten hatten quer über diesen Weg, zwischen einem Basketballkorb und einem Pfosten eines Pavillons, eine farbige Slackline gespannt. Eine Slackline ist ein Gurtband, auf dem balanciert werden kann. Diese Slackline war 15 Meter lang, drei bis fünf Zentimeter breit und befand sich etwa 15 bis 25 cm über dem Boden. Die Klägerin befuhr den Radweg schräg hinter ihrem Ehemann. Dieser kam durch eine Vollbremsung mit seinem Rad vor der Slackline zum Halten. Die Klägerin bemerkte die Slackline zu spät, fuhr nahezu ungebremst in diese hinein und stürzte.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht ging dem Grunde nach von einer alleinigen Haftung der Beklagten aus. Die Beklagten hätten in rechtswidriger und fahrlässiger Weise den Sturz der Klägerin verursacht, indem sie die Slackline gespannt und sich von der Örtlichkeit dann entfernt hätten, ohne die Slackline zu entfernen. Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten, da die Beklagten nicht nachgewiesen hätten, dass die Slackline für die herannahende Klägerin rechtzeitig wahrnehmbar gewesen sei. Dass dem Ehemann der Klägerin noch ein Anhalten möglich gewesen sei, stehe dem nicht entgegen.
Der Höhe nach sprach das Landgericht von den geltend gemachten Schadenspositionen Folgendes zu:
Schadensposition |
Antrag in EUR |
Zuspruch in EUR |
Fahrtkosten |
691,03 |
459,45 |
Zuzahlungen Krankentransport, Physiotherapie |
477,8 |
477,8 |
Zuzahlungen Krankenhaus |
120 |
0 |
Zuzahlung Rehabilitation |
525,42 |
0 |
Helm |
42,9 |
42,9 |
Haushaltshilfe |
101,91 |
101,91 |
Verdienstausfall |
31.009,25 |
4.741,75 |
Schmerzensgeld mindestens |
20.000,00 |
10.000,00 |
Der in erster Instanz zugesprochene materielle Schaden belief sich somit insgesamt auf 5.823,81 EUR, abzüglich der bezahlten 800,00 EUR also auf 5.023,81 EUR.
Bezüglich des Er...