Leitsatz (amtlich)
1. Der Betriebshaftpflichtversicherer muss nach § 1 Nr. 1 AHB Deckungsschutz gewähren, wenn ein Bauunternehmer in versicherter Zeit eine Baugrube verfüllt, dies nach dem Vortrag des Auftraggebers zu einer Verformung der Wände des bereits errichteten Kellers geführt hat, Schadensersatzansprüche hieraus aber erst nach Ablauf der versicherten Zeit geltend gemacht werden.
2. Bei der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen kann eine nicht allgemein bekannte sprachgeschichtliche Herleitung eines Worts - hier des Worts "Ereignis" von "eräugen" - nicht berücksichtigt werden.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 19.12.2013; Aktenzeichen 9 O 206/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Mannheim vom 19.12.2013 - 9 O 206/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte Deckungsschutz aus einer Betriebshaftpflichtversicherung zu gewähren hat; sie sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob der geltend gemachte Sachverhalt in die versicherte Zeit fällt.
Die Klägerin ist Bauunternehmerin. Vom 4.3.2005 bis 31.12.2011 bestand bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung. Dieser lagen die (...) Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflicht-Versicherung (AHB) (...) sowie die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) (...) zugrunde.
§ 1 Nr. 1 AHB enthielt folgende Regelung:
"Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hatte, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird."
In § 5 Nr. 1 AHB heißt es:
"Versicherungsfall im Sinne dieses Vertrages ist das Schadensereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte."
Mit Vertrag vom 14.7.2010 verpflichtete sich die Klägerin gegenüber ihrem Auftraggeber B. zum Verfüllen der Baugrube auf einem Grundstück in S. Die Arbeiten wurden vom 14. bis 28.7.2010 durchgeführt. Mit Schreiben vom 6.11.2012 zeigte der Auftraggeber der Klägerin Schäden im Kellerbereich des Objektes an und forderte diese, gestützt auf ein am selben Tag erstelltes Sachverständigengutachten, zu deren Beseitigung auf. Dem Haftungsbegehren lag die Beurteilung des Privatsachverständigen des Auftraggebers zugrunde, dass die Verfüllung nicht bereits nach Kellererrichtung, sondern erst nach Fertigstellung des Rohbaus hätte ausgeführt werden dürfen; auf Grund der zu frühen Verfüllung hätten sich die Kellerwände in den Innenbereich gebeult. Die Klägerin hält sich nicht für haftpflichtig; sie beruft sich auf eine ihr von der Bauleitung und dem Auftraggeber erteilte Weisung, die Verfüllung nach Fertigstellung der Bodenplatte vorzunehmen.
Die Klägerin zeigte der Beklagten die Schadensersatzforderung an; diese verweigerte mit Schreiben vom 15.5.2013 Versicherungsschutz, weil der Schaden erst im Jahre 2012 und damit nach Ablauf der Versicherungszeit eingetreten sei.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihr zur Deckung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag verpflichtet. Das nach § 1 Nr. 1 AHB zum Eintritt der Leistungspflicht erforderliche Schadenereignis bestehe in der möglichen Verursachung des Schadens durch das ihr zurechenbare Verfüllen der Baugrube, das in die versicherte Zeit gefallen sei.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, im Rahmen der vertraglichen Verein-barung der Parteien aus der Betriebshaftpflichtversicherung unter der Versiche-rungsnummer (...) der Klägerin für den im Zuge der Verfüllung der Baugrube auf dem Grundstück W-Str. 61 in S. eingetretenen Schaden Deckungsschutz zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Schadenereignis in der Feststellung des Schadens bestehe. Diese sei frühestens durch das Sachverständigengutachten vom 6.11.2012 und damit nach Ende des Versicherungsschutzes bei der Beklagten erfolgt. Weiter bestreitet sie den konkreten Schaden sowie dessen Verursachung durch die Klägerin.
Das LG hat der Klage stattgegeben. (...) Gegen die Entscheidung des LG (...) richtet sich die (...) Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde feststellen, dass das W...