Verfahrensgang
LG Mosbach (Aktenzeichen 1 O 110/18) |
Tenor
I. Auf die Rüge des Beklagten werden I.1 und I.2 des Urteils des Oberlandesgerichts vom 13. März 2020 geändert:
1. Der Beklagten wird aufgegeben, den am 3.5.2018 gelöschten Beitrag des Klägers wieder freizuschalten:
"Ich frage mich; Wie lange wollen unsere Politiker noch blöde rum quatschen und diese kriminellen Verbrecher auf Steuerzahlerkosten im Land durchfüttern ???????????????? Wenn ich mich als Deutscher so benehme, habe ich einen Eintrag in der Akte und vermutlich den Staatsschutz am Hals wegen Landfriedensbruch! - Statt den Abschaum abzuschieben, wird er nur in eine andere Unterkunft verlegt! Was für eine harte Strafe - Die lachen sich doch kaputt!!"
2. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, ihn für das Einstellen des in Ziff. 1 genannten Textes auf ... erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen, wenn sich der Beitrag auf die Gefangenenbefreiung in der Flüchtlingsunterkunft ... am 29./30. April und/oder die anschließende Polizeiaktion in der Flüchtlingsunterkunft ... am 3.5.2018 und die anschließenden behördlichen Maßnahmen oder vergleichbare Vorfälle bezieht.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen, oder Ordnungshaft angedroht.
II. Im Übrigen bleibt das Urteil vom 13. März 2020 aufrecht erhalten.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger beanstandet die Entfernung von zwei Äußerungen auf der Plattform der Beklagten und begehrt die Wiederherstellung des vorigen Zustands.
Der Kläger nutzt die von der Beklagten in Europa betriebene Online-Plattform ... seit 2013. Im April 2017 entfernte die Beklagte Kommentare des Klägers und sperrte sein Profil einmal für 24 Stunden und einmal für drei Tage, im Mai 2017 für 7 Tage.
Im Juli 2017 äußerte der Kläger in Verbindung mit einem Artikel der ..., der eine positive Einstellung des damaligen Bundestagspräsidenten ... gegenüber muslimischen Zuwanderern widerspiegelte:
"Offensichtlich haben die Politiker nicht mehr alle Latten am Zaun. Die Musels verbreiten weltweiten Terror und von denen sollen wir laut Aussage des Herrn ... lernen können? UNFASSBAR!!!"
Daraufhin entfernte die Beklagte den Beitrag und sperrte dem Kläger für 30 Tage die Möglichkeit, Beiträge zu schreiben, zu kommentieren und sich auf anderen Plattformen anzumelden (onlyread- Modus).
Zu einem Polizeieinsatz in der Landeserstaufnahmestelle ... im Zusammenhang mit dem Versuch, einen Flüchtling abzuschieben, verfasste der Kläger im Mai 2018 auf der Plattform:
"Ich frage mich; Wie lange wollen unsere Politiker noch blöde rum quatschen und diese kriminellen Verbrecher auf Steuerzahlerkosten im Land durchfüttern???????????????? Wenn ich mich als Deutscher so benehme, habe ich einen Eintrag in der Akte und vermutlich den Staatsschutz am Hals wegen Landfriedensbruch! - Statt den Abschaum abzuschieben, wird er nur in eine andere Unterkunft verlegt! Was für eine harte Strafe - Die lachen sich doch kaputt!!"
Diesen Kommentar entfernte die Beklagte am 3.5.2018 und sperrte wiederum die Kommentierungsfunktion des Klägers für 30 Tage.
Der Kläger hat die Feststellung verlangt, dass die Sperrungen rechtswidrig waren, die erneute Freischaltung der genannten gelöschten Beiträge sowie das Verbot, diese Beiträge erneut zu löschen und sein Konto wieder zu sperren. Außerdem hat er die Auskunft begehrt, ob die Sperren durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten und ob die Bundesregierung oder nachgeordnete Dienststellen auf die Löschung von Beiträgen oder Sperrung von Nutzern einwirkten, weiterhin die Zahlung von Schadensersatz und die Freistellung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten. Er hat vorgetragen, die in der "Erklärung der Rechte und Pflichten" und den "Gemeinschaftsstandards" der Beklagten eingeräumte Befugnis zur Löschung von Beiträgen und zur Sperrung von Konten verstoße gegen das Transparenzgebot und benachteilige den Nutzer unangemessen, sodass die Regelung unwirksam sei. Im Bereich der sogenannten "Hassbotschaften" sei sie derart weit und allgemein gefasst, dass die Beklagte einen nicht zu rechtfertigenden Spielraum bei der Annahme der Voraussetzungen habe. Die einseitige Durchsetzung der Interessen der Beklagten auf Kosten des Nutzers widerspreche jedoch einem freien Meinungsaustausch, den die Plattform bezwecke. Anzuwenden seien für die Beurteilung des Posts vom Mai 2018 nicht die im Frühjahr 2018 geänderten Nutzungsbedingungen, sondern die zuvor geltende Erklärung der Rechte und Pflichten. Die vorgenommene Änderung sei unwirksam. Die Änderungsklausel sei gesetzeswidrig. Sie räume dem Nutzer insbesondere nicht die Möglichkeit ein, die Fiktion der Zustimmung zu den geänderten Bedingungen durch Fortsetzung der Nutzung der Dienste auszuschalten. Die Anwendung der Bedingungen sei an der Meinungsfreiheit zu messen. Zulässige Meinungsäußerungen dürften nicht durch die Aufstellung von Verhalte...