Leitsatz (amtlich)
Löschung von Beiträgen oder Sperren des Nutzerkontos wegen Verstoßes gegen Nutzungsbedingungen oder Gemeinschaftsstandards eines sozialen Netzwerks
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 305, 307; GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Mai 2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe, Az. 6 O 322/18, wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit verschiedenen Ansprüchen gegen die Sperrung eines Beitrags im sozialen Netzwerk ....
Das soziale Netzwerk ... wird von der Muttergesellschaft der Beklagten mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika betrieben. Für Nutzer in Europa ist die Beklagte Anbieterin und Vertragspartnerin. In Deutschland nutzen derzeit etwa 31 Mio. Menschen das Netzwerk. Die Nutzung des Netzwerks wird unter anderem durch die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten geregelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Kopien der Nutzungsbedingungen (Anlage B1) und der Gemeinschaftsstandards (Anlage B2) verwiesen.
Der Kläger ist Nutzer des von der Beklagten angebotenen Dienstes und unterhält dort ein privates Nutzerkonto. Am 22. August 2018 stellte er auf der Plattform der Beklagten unter Nutzung seines Nutzerkontos einen Beitrag unter einem Link zu einem externen Zeitungsartikel der Seite ... . Die Überschrift des Artikels lautete:
"Nach der Attacke auf zwei Polizisten in Plauen ermittelt die Polizei gegen drei Männer aus Mazedonien, Libyen und Kroatien. Ihnen wird unter anderem gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Sie hatten den Einsatz gegen einen libyschen Sex-Täter behindert. Ein Video von dem Vorfall lässt nun Rufe nach einem härteren Durchgreifen der Polizei laut werden."
Darüber hinaus enthielt der Link ein Video, das das Geschehen in Plauen zeigte.
Der Kläger kommentierte in seinem Beitrag den Link mit:
"Warum wird auf die Angreifer nicht geschossen?".
Die Beklagte sperrte daraufhin das Nutzerkonto des Klägers für 30 Tage mit der Begründung, der Beitrag verstoße gegen ihre Gemeinschaftsstandards. Während der Sperre war das Konto des Klägers in einen Lesemodus ("Read-only-Modus") versetzt. Der Kläger konnte auf sein Konto zugreifen und Inhalte einsehen, war aber daran gehindert, seinerseits Inhalte zu veröffentlichen.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperre seines Kontos, die Freischaltung seines gelöschten Beitrags, die Verurteilung der Beklagten zum Unterlassen einer erneuten Kontensperre wegen dieses Beitrags verlangt sowie die Beklagte auf Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen. Er hat behauptet, die Beklagte habe auch während der Sperrung die Möglichkeit, seine Daten kommerziell zu nutzen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die vorübergehende Sperrung seines Nutzerkontos und die Löschung seines Beitrags seien rechtswidrig und könnten insbesondere nicht auf die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten gestützt werden. Der relevante Bereich der politischen oder persönlichen Auseinandersetzung sei in Teil III. Nr. 12 der Gemeinschaftsstandards unter dem Begriff der sogenannten Hassrede geregelt. Die der Beklagten in ihren Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards eingeräumte Befugnis zur Sperre und Löschung halte jedoch einer Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht stand. Gemeinschaftsstandards und Nutzungsbedingungen seien intransparent. Sie benachteiligten zudem Nutzer der Beklagten, weil sie der Beklagten die Löschung von Beiträgen und die Sperrung von Nutzerkonten auch im Fall nicht strafbarer oder rechtswidriger Beiträge erlaubten. Zudem vereitelten die Nutzungsbedingungen den vereinbarten Vertragszweck, wonach Nutzer die Plattform der Beklagten im Rahmen der freien Meinungsäußerung und ohne Sorge vor einer Zensur nutzen dürften. Unwirksam sei zudem die Änderung der Nutzungsbedingungen der Beklagten im Frühjahr 2018. Die eine Änderung der Nutzungsbedingungen regelnden Bestimmungen in Nr. 13 der Altbedingungen und Nr. 3 der Sonderbedingungen für Deutschland hielten ihrerseits einer Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht stand. Im Übrigen handele es sich bei dem klägerischen Beitrag um eine zulässige und damit geschützte Meinungsäußerung. Auch stelle die vorübergehende Sperrung des Nutzerkontos einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Sie führe zu einem Verlust von Authentizität und Ehre, weil der Kläger während der Kontensperrung keine Kenntnis von seiner Selbstdarstellung widersprechend...