Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigung von Facebook (jetzt Meta) zur Löschung von Posts mit "Hassrede" und Sperrung des Kundenkontos

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Facebookpost "Das deutsche Parlaments-Pack unterzeichnet den Pakt. Schlimmer das deutsche Pack hat ihn gepackt" im Zusammenhang mit dem vom Bundestag verabschiedeten Migrationspakt verunglimpft ganz bewusst sowohl die deutschen Parlamentarier (jedenfalls soweit sie den sog. Migrationspakt unterstützt haben) als auch die deutsche Bevölkerung sowie Migranten und Flüchtlinge. Es handelt sich damit um "Hassrede" i.S.d. Schweregrade 2 und 3 nach Teil III Nr. 12 des Facebook- Gemeinschaftsstandards.

2. Der in Ziff. 1 genannte Post ist nicht mehr von der freien Meinungsäußerung gedeckt, weil

das Gebot der praktischen Konkordanz gebietet, nicht nur dem Meinungsäußerungsgrundrecht zur Geltung zu verhelfen, sondern in gleicher Weise auch die Grundrechte der anderen Nutzer und nicht zuletzt von Facebook selbst zu schützen.

3. Die allen Nutzern als "pop-up" bei Aufruf des Facebookdienstes zugegangene Mitteilung über die beabsichtigte Änderung der Nutzungsbedingungen in Verbindung mit der Aufforderung, die "ich stimme zu" - Schaltfläche anzuklicken, ist als Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages im Sinne von § 145 BGB zu werten.

4. Die in den Facebook-Nutzungsbedingungen normierten Verhaltensregeln sind weder überraschend im Sinne des § 305 c BGB noch stellt das Verbot von Hassrede gem. Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB dar.

 

Normenkette

BGB § 145; EUV 2016/679 Art. 82; GG Art. 1-2, 5

 

Tenor

I. Der Kläger wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass seine Berufung gegen das am 14.08.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts K. offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 6.600 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, ob die Beklagte einen Beitrag des Klägers auf ihrer Social-Media-Plattform löschen und ihn deswegen mit einer Sperre belegen durfte.

Die Muttergesellschaft der Beklagten betreibt das "soziale Netzwerk" www.facebook.com. Anbieter und Vertragspartner der Nutzer mit Sitz in Deutschland ist die Beklagte. In Deutschland nutzen derzeit etwa 31 Millionen Menschen das Netzwerk.

Der Kläger ist seit vielen Jahren Inhaber eines Nutzerkontos der Beklagten unter dem Namen "...".

Die Nutzung des Netzwerkes erfolgt auf der Grundlage einer einmaligen Anmeldung, bei der der Nutzer die Geschäftsbedingungen der Beklagten akzeptieren muss, die sich im Wesentlichen aus den Nutzungsbedingungen und den Gemeinschaftsstandards zusammensetzen. Die Gemeinschaftsstandards der Beklagten wurden im Frühjahr 2018 geändert. Der Kläger akzeptierte diese Änderungen mit einem "Klick" auf eine entsprechende Schaltfläche in einem sog. Pop-Up-Fenster.

Unter Teil III Ziffer 12 der aktuellen Gemeinschaftsstandards finden sich Regelungen über die sog. Hassrede. In Ziffer 3 der Nutzungsbedingungen sind die Verpflichtungen der Nutzer gegenüber Facebook und der Gemeinschaft der Nutzer geregelt, zudem auch die Folgen von Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen.

Am 02.12.2018 entfernte die Beklagte unstreitig einen Beitrag vom Konto des Klägers; das Konto wurde für 30 Tage gesperrt. Der Kläger konnte in diesem Zeitraum zwar weiterhin sein Konto einsehen, aber nichts posten, kommentieren oder den Messenger verwenden.

Mit Anwaltsschreiben vom 05.12.2018 ließ der Kläger die Beklagte vergeblich auffordern, die Sperre unverzüglich aufzuheben und etwaig gelöschte Beiträge wieder freizuschalten.

Der Kläger hat behauptet, er habe nachfolgenden Beitrag, den die Beklagte gelöscht und als Anlass für die Kontensperre genommen habe, auf der Plattform der Beklagten gepostet:

"Das deutsche Parlaments-Pack unterzeichnet den Pakt.

Schlimmer das deutsche Pack hat ihn gepackt."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Löschung des vorgenannten Beitrages sowie die zeitweise Sperrung seines Nutzerkontos seien rechtswidrig gewesen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, seinen Beitrag als zulässige Meinungsäußerung auf der Plattform zu dulden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, seine Daten dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 02.12.2018 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gel...

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