Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung des nachbarrechtlichen Anspruchs auf Schutzvorkehrungen nach Erhöhung des Nachbargrundstücks in Baden-Württemberg
Leitsatz (amtlich)
1. Für den nach Erhöhung eines Nachbargrundstücks bestehenden, auf Errichtung und Unterhaltung einer Vorkehrung zum Schutz vor Absturz gerichtete Anspruch aus §§ 9 Abs. 1, 10 NRG BW gilt nicht die Verjährungsfrist des § 26 NRG BW. Es gilt stattdessen die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB.
2. Sofern der Schwerpunkt der Störung darin liegt, dass der Nachbar es seit der Aufschüttung seines Grundstücks dauernd unterlässt, auf seinem Grundstück Vorkehrungen zu treffen und zu unterhalten, dass eine Schädigung des Nachbargrundstücks durch Absturz des Bodens ausgeschlossen ist, kommt eine Verjährung des Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.
Tenor
1.) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 17.09.2021, Az. 1 O 65/21 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor im Kostenpunkt aufgehoben und Ziffer 1 klarstellend wie folgt gefasst wird:
Die Beklagten werden verurteilt, auf ihrem Grundstück Flurstücknummer ..., E-straße 9, M die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass
a) von der auf dem genannten Grundstück im Grenzbereich zum Grundstück des Klägers Flurstücknummer ..., A-Straße 12, M befindlichen Mauer aufgrund fehlender Standsicherheit von dieser Teile oder
b) aus dem Bereich zwischen den auf dem Beklagtengrundstück befindlichen Pflanzringen und der gemeinsamen Grundstücksgrenze Erdreich einschließlich Steine auf das genannte klägerische Grundstück gelangen.
2.) Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.) Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Standsicherheit einer zwischen ihren benachbarten Hanggrundstücken befindlichen Stützmauer.
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A-Straße 12 in M, Flst.-Nr. .... Dieses grenzt in südlicher Richtung an das höher gelegene Grundstück der Beklagten in der E-straße 9 in M, Flst.-Nr. ..., an. Wegen der Positionierung der Grundstücke wird auf den Lageplan K1 verwiesen. Entlang der beiderseitigen Grundstücksgrenze auf einer Länge von 22 m wurde von den Rechtsvorgängern der Beklagten im Jahr 1973 eine etwa 1 m hohe Betonstützmauer als Schwergewichtsmauer errichtet (im Folgenden: streitgegenständliche Mauer oder Betonstützmauer) und das anschließende Gelände auf dem Beklagtengrundstück entsprechend aufgefüllt.
Im Jahr 2012 errichteten die Beklagten in Richtung des Grundstücks des Klägers einen Anbau an ihr Wohnhaus. Die Beklagten bauten oberhalb der streitgegenständlichen Mauer zwei weitere - genehmigungsfreie - Mauern aus Pflanzsteinen. Im Sommer 2015 machte der Kläger gegenüber der Baurechtsbehörde eine Neigung der Betonstützmauer in Richtung seines Grundstücks geltend. Mit Bescheid vom 28.04.2016 lehnte die Baurechtsbehörde ein baurechtliches Einschreiten ab.
Mit Antrag vom 07.03.2019, eingegangen an diesem Tag, strengte der Kläger beim Landgericht Mosbach ein selbstständiges Beweisverfahren an (1 OH 4/19). Er machte eine Verschiebung und Neigung der Betonstützmauer in Richtung seines Grundstücks geltend sowie eine Ursächlichkeit des von den Beklagten errichteten Anbaus und vorgenommener Anschüttungen im Bereich oberhalb der Betonstützwand. Der Antrag wurde den Beklagten am 15.03.2019 zugestellt und mit Beschluss vom 16.04.2019 der Sachverständige Dipl.-Ing. A. mit der Begutachtung beauftragt. Der Sachverständige erstattete im selbstständigen Beweisverfahren ein Ausgangsgutachten vom 20.08.2019, das er mit gutachterlichen Stellungnahmen vom 02.11.2019, 20.01.2020, 14.04.2020, 07.09.2020, 11.02.2021 sowie bei seiner Anhörung im Termin vom 14.01.2021 ergänzte.
Auf Antrag der Beklagten nach § 494a ZPO hat der Kläger mit Klageschrift vom 18.03.2021 Klage erhoben, die am 03.04.2021 zugestellt worden ist.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet,
die Betonstützmauer sei auf ihrer gesamten Länge von Anfang an nicht standsicher hergestellt worden. Der Kläger habe im Sommer 2015 erstmals festgestellt, dass sich die Betonstützwand in Richtung seines Grundstücks verschiebe. Vermessungen in den Jahren 2017 (Anlage K3), 2019 (Anlage K4), 2020 (Anlage K5) und 2021 (Anlage K7) hätten ein fortschreitendes Neigen und Verschieben der Schwergewichtsmauer in Richtung des klägerischen Grundstücks ergeben, vor allem in Bereichen, in denen von den Beklagten Baumaßnahmen durchgeführt worden seien. Die Betonstützmauer sei nicht mehr standsicher und in der Lage, auf sie einwirkende Lasten aufzunehmen. Die Gründung des Anbaus an das Wohnhaus der Beklagten sei nicht fachgerecht auf nicht gewachsenem Grund erfolgt. Die Betonstü...