Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherungsnehmer hat gegenüber einer Vollkaskoversicherung keinen Aufwendungsersatzanspruch aus § 83 VVG hinsichtlich der Kosten einer Abschleppmaßnahme, wenn das versicherte Fahrzeug weitgehend zerstört ist und erkennbar über keinen relevanten Restwert mehr verfügt.
Normenkette
VVG §§ 82-83
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 02.06.2015; Aktenzeichen 3 O 5/15) |
Tatbestand
Die Klägerin macht aus einer Kaskoversicherung den Ersatz von Abschleppkosten geltend.
Die Klägerin betreibt eine Transportfirma. Sie unterhielt bei der Beklagten eine Kraftfahrtversicherung, die die Kfz-Haftpflichtversicherung und eine Vollkaskoversicherung umfasste. Die einbezogenen Versicherungsbedingungen (im Folgenden AKB) haben auszugsweise folgenden Inhalt:
A.2.1.1 Versichert ist Ihr Fahrzeug gegen Beschädigung, Zerstörung, Verlust oder Totalschaden infolge eines Ereignisses nach A. 2.2 (Teilkasko) oder A. 2.3 (Vollkasko)
A.2.6.5 Ein Totalschaden liegt vor, wenn die erforderlichen Kosten der Reparatur des Fahrzeugs dessen Wiederbeschaffungswert übersteigen.
A.2.7.2 Bei Beschädigung des Fahrzeugs ersetzen wir die Kosten für das Abschleppen vom Schadensort bis zur nächstgelegenen für die Reparatur geeigneten Werkstatt (...)
Am 05.05.2014 brannte der versicherte LKW in Österreich aus. Der Restwert des Fahrzeugs betrug - ohne Ladung - 52,00 EUR. Das Fahrzeug wurde auf Veranlassung der österreichischen Polizei abgeschleppt. Der Klägerin wurden hierfür 5.252,72 EUR in Rechnung gestellt, die Gegenstand des Rechtsstreits sind. Der Fahrzeugschaden selbst wurde von der Beklagten reguliert. Mit Anwaltsschreiben vom 18.07.2014 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30.07.2014 erfolglos zur Erstattung der Abschleppkosten auf.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, der Versicherungsschutz aus der Kaskoversicherung umfasse auch die Abschleppkosten. Die Bergung habe dazu gedient, den Restwert des Fahrzeugs sowie die nicht völlig verbrannte Ladung zu sichern. Sie habe nicht erkennen können, dass die Abschleppkosten den Restwert des Fahrzeugs um ein Vielfaches übersteigen würden. Unabhängig davon habe eine Beseitigungspflicht nach österreichischem Straßenverkehrsrecht bestanden.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei ausschließlich zur Regulierung des Fahrzeugschadens (ohne Ladung) verpflichtet. Der Abschleppauftrag habe nicht der Restwerterhaltung gedient. Ein nennenswerter Restwert habe offensichtlich auch nicht bestanden. Aus der vorgelegten Rechnung sei im Übrigen nicht ersichtlich, welche konkreten Tätigkeiten abgerechnet worden seien.
Mit Urteil vom 02.06.2015 hat das LG Baden-Baden die Klage abgewiesen. Die streitgegenständliche Versicherung decke nur den Fahrzeugwert ab. Die Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 Satz 1 VVG, unter denen darüber hinaus gehende Aufwendungen abgedeckt seien, lägen nicht vor. Die Abschleppkosten seien zur Schadensminderung erkennbar nicht geeignet gewesen. Die wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit habe offen zutage gelegen. Ohne Belang sei, ob eine öffentlich-rechtliche Beseitigungspflicht bestanden habe. § 83 VVG setze voraus, dass Aufwendungen getätigt werden, die der Geringhaltung des versicherten Schadens dienen. Hier sei lediglich ein Sachwert versichert, sodass eine Erstattung nur in Betracht komme, soweit hierdurch die Restwertverwertung gefördert werde. Auf die Ladung komme es dabei nicht an, da diese nicht versichert gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Abschleppkosten seien dann zu erstatten, wenn das Abschleppen in eine Werkstatt der Verwertung des Restwerts diene. So liege der Fall hier. Nur durch das Abschleppen vom Unfallort habe der Restwert überhaupt realisiert werden können. Dass der Restwert lediglich geringfügig war, sei für die Klägerin ex ante nicht erkennbar gewesen. Sie habe vielmehr davon ausgehen dürfen, dass ein erheblicher Restwert vorhanden gewesen sei, der durch das Abschleppen gesichert werden konnte. Darüber hinaus stehe einem Versicherungsnehmer der Aufwendungsersatzanspruch auch dann zu, wenn er das Abschleppen aus anderen Gründen als der Schadensminderung veranlasst habe. Hier sei die Klägerin zur Bergung nach § 89a Abs. 1 Satz 2 öStVO verpflichtet gewesen.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des LG Baden-Baden vom 02.06.2015, 3 O 5/15, wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.252,72 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit 31.07.2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die angefochtene Entscheidung wird verteidigt. Eine Erstattungspflicht könne sich nur aus §§ 82, 83 VVG ergeben. Die Voraussetzungen hierfür lägen aber nicht vor. Erforderlich sei, dass der Versicherungsnehmer die Aufwendungen für geboten halten durfte. Geboten seien dabei nur Maßnahmen, die erfolgversprechend seien und nicht außer Verhältni...