rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabe einer Willenserklärung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Sittenwidrigkeit eines notariellen Übergabevertrages zwischen einer 73-jährigen Patientin und ihrem Hausarzt, der von der Patientin bereits als Nacherbe nach der zum Zeitpunkt des Übergabevertrages verstorbenen Schwester der Patientin eingesetzt war.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 27.02.1998; Aktenzeichen 6 O 531/97) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 27. Februar 1998 wie folgt abgeändert:
a. Es wird festgestellt, daß der zwischen den Parteien am 25.11.1994 vor dem Notariat IX in Freiburg i.Br. geschlossene Übergabevertrag (9 UR 293/94) sowohl im schuldrechtlichen wie im dinglichen Teil nichtig ist.
b. Der Beklagte wird verurteilt, die im Eigentum der Klägerin stehende Wohnung in der H.straße 30 in F. im Erdgeschoß, bestehend aus vier Zimmern, Flur, Küche, Bad und einer Wohnfläche von 128 qm nebst zugehörigem Speicherabteil, Kellerraum, Garten sowie der Garage zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
c. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 76.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
4. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerin macht die Nichtigkeit eines Grundstücksübertragungsvertrages geltend und begehrt ferner Räumung und Herausgabe einer Wohnung. Der Beklagte verlangt widerklagend die Auflassung eines Hausgrundstücks.
Die Klägerin ist im Jahre 1921 geboren. Zusammen mit ihrer etwa 10 Jahre älteren Schwester war sie Miteigentümerin zu je 1/2 an einem Hausgrundstück in F., H.straße, sowie einem Hausgrundstück in H. Der Beklagte ist Arzt und war seit Ende 1985 Hausarzt der beiden Schwestern. Es entwickelte sich eine große Sympathie. Der Beklagte nahm zahlreiche Hausbesuche vor. Im Rahmen der Behandlungen verabreichte er auch zahlreiche Spritzen. Zwischen den beiden Schwestern und dem Beklagten entwickelte sich ein starkes Vertrauensverhältnis.
Ende 1993 bezog er im Haus H.straße 30 die im Untergeschoß gelegene Wohnung als Zweitwohnung, nachdem das zuvor bestehende Mietverhältnis mit Dritten beendet war. Er zahlte hierfür 1.600,00 DM im Monat.
Die Schwester der Klägerin erkrankte zunehmend schwer und wurde vom Beklagten ausschließlich in der Wohnung der Schwestern im 1. Obergeschoß des Hauses in der H.straße behandelt. Die Schwester verstarb am 05.08.1994.
Beide Schwestern hatten mehrere Testamente aufgesetzt. Zunächst hatten beide Schwestern sich in voneinander getrennten Testamenten der Jahre 1971 bzw. 1974 jeweils zu Alleinerben eingesetzt (AS. I 165/169). Am 15.10.1987 verfasste die Schwester der Klägerin ein Testament, in dem sie ihr schlechtes Verhältnis zu ihrem Neffen Peter Kleine, dem einzigen näherstehenden Verwandten, festhielt, ihre Schwester zur Alleinerbin und den Beklagten zum Nacherben nach dem Tod ihrer Schwester einsetzte (AS. I 167). Am 20.07.1992 erstellte die Klägerin selbst „auf Wunsch” ihrer Schwester ebenfalls ein Testament, in welchem sie wie bisher die Schwester zur Alleinerbin einsetzte, den Beklagten zum Nacherben (AS I 171).
Nach dem Tod der Schwester kam es zwischen den Parteien zu mehreren Gesprächen, deren Ablauf, Inhalt und Motive zwischen den Parteien streitig ist. Jedenfalls ging es dabei darum, dem Beklagten als künftigem Erben im Hinblick auf die Erbschaftssteuer steuerliche Vorteile zu verschaffen. In diese Gespräche wurde – in ebenfalls streitiger Weise – ein Rechtsanwalt, Rechtsanwalt H., einbezogen. Dieser suchte die Klägerin in ihrer Wohnung am 13.09. und 11.10.1994 auf, wobei der Beklagte jeweils zugegen war. Zwischen diesen beiden Terminen, am 05.10.1994, setzte die Klägerin den Beklagten zu ihrem Alleinerben ein (AS. I 173).
Am 25.11.1994 kam es (nachdem der Beklagte der Klägerin zuvor noch eine Injektion verabreicht hatte) zu dem streitgegenständlichen notariellen Übergabevertrag (AS. I 53). Bei Abschluß des Vertrages war Rechtsanwalt H. zugegen. In diesem Übergabevertrag wurden die Hausgrundstücke H.straße und H. auf den Beklagten übertragen.
Mit Schreiben des Klägervertreters vom 22.12.1994 focht die Klägerin die dem Übergabevertrag zugrundeliegende Willenserklärung wegen Erklärungsirrtums an, weil sie sich nicht bewußt darüber gewesen sei, Eigentum zu übertragen (AS. I 69). Nachdem der Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 03.01.1994 (AS. I 93) zur Rückabwicklung nur gegen Abschluß eines entsprechenden Erbvertrags bereit gewesen wäre, erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.01.1995 Klage, in welcher sie a...