Leitsatz (amtlich)

1. Eine arglistige Täuschung des Anlegers im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Anteils an einem geschlossenen Immobilienfonds kann zu bejahen sein, wenn ihm das Anlageobjekt anhand eines mehr als vier Jahre alten und inhaltlich bereits überholten Prospekts erläutert wird. Ein solches Verhalten liegt insbesondere nahe, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht, dass die ursprünglichen Prognosen von Anfang an verfehlt worden sind, und damit auch die im Prospekt zum Ausdruck gebrachten Erwartungen für die künftige Entwicklung einer tragfähigen Grundlage entbehren.

2. Erweist sich die im Prospekt enthaltene Prognoserechnung nachträglich als unrichtig, ist dies dem Anleger durch eine Berichtigung des Prospekts oder in anderer Weise mitzuteilen. Entsprechend müssen auch die einzelnen Vermittler instruiert werden.

3. Eine finanzierende Bank, die selbst keine Beratungsleistungen erbracht hat, muss sich solche Umstände aber nur beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen entgegen halten lassen. Auch nach den Grundsätzen für verbundene Geschäfte, bzw. im Falle eines institutionalisierten Zusammenwirkens der Bank mit Verkäufern, Fondsinitiatoren oder Vermittlern setzt dies im Einzelfall die konkrete Feststellung einer arglistigen, also mindestens bedingt vorsätzlichen Täuschung durch diese Beteiligten voraus. Die unterlassene Aufklärung über die bisherigen Geschäftsergebnisse reicht hierfür nicht aus, wenn dieselben erst nach dem Erwerb bekannt geworden sind und der Vermittler zuvor keine Veranlassung hatte, die Richtigkeit der Prospektangaben in Zweifel zu ziehen.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen 3 O 199/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 13.5.2009 - 3 O 199/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 31.140,25 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Nach Erledigung der zunächst von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage begehrt die Beklagte die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages sowie Schadensersatz.

Die Beklagte erwarb im September 2000 eine Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds "D. GbR" zum Preis von 30.000 DM zzgl. 5 % Agio. Hierzu unterzeichnete sie auf Empfehlung des Zeugen M., eines selbständigen Anlagevermittlers, am 23.9.2000 in ihrer Wohnung einen "Auftrag und Vollmachten sowie Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages". Der genannte Immobilienfonds umfasste Wohnungen sowie eine Gewerbeeinheit in F., L. und Ch. Finanziert wurde der Anteilserwerb durch ein ebenfalls von dem Zeugen M. vermitteltes Darlehen der Beklagten mit einem Nettokreditbetrag von 31.500 DM. Der Darlehensvertrag nebst Widerrufsbelehrung war von der Klägerin am 13.9.2000 unterzeichnet worden. Als Sicherheit sah der Vertrag u.a. die Abtretung der Todesfallleistungen aus einer neu abzuschließenden Kapitallebensversicherung vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vertragsunterlagen (Anlage K 1) verwiesen.

Bei der Erläuterung des Fonds verwandte der Zeuge M. einen Prospekt, der im Zeitraum 1995/1996 erstellt worden war. Dieser sah eine Fertigstellung der Fondsobjekte bis Frühjahr 1997 vor und enthielt u.a. eine Prognoserechnung für die Jahre 1996 bis 2015. Nach dieser Prognoserechnung wurden Miet- und Zinseinnahmen für das Jahr 1996 i.H.v. insgesamt 202.500 DM und für die Jahre 1997 bis 2000 i.H.v. jeweils rund 400.000 DM jährlich erwartet. Bei prognostizierten Ausgaben für das Jahr 1996 von 88.812 DM und für die Jahre 1997 bis 2000 von jeweils 177.624 DM wurden die voraussichtlichen Überschüsse mit rund 113.000 DM für das Jahr 1996 und mit jeweils rund 220.000 DM für die folgenden Jahre beziffert.

Erstmals im April 2003 erstellte die Fondsgesellschaft einen Geschäftsbericht, der die Jahre 1997 bis 2002 umfasste. Darin wurden die Einnahmen für das Jahr 1997 mit 79.454,24 EUR und die Ausgaben mit 165.836,46 EUR angegeben. Auch für die nachfolgenden Jahre wurden Unterdeckungen ausgewiesen (1997: 86.382,22 EUR, 1998: 77.535,87, 1999: 146.450,92 EUR, 2000: 125.306,37 EUR).

Unter Hinweis darauf, dass die prospektierten Mieteinnahmen und Ausschüttungen nicht erzielt werden konnten, berief sich die Beklagte ggü. der Klägerin auf die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages und widerrief ihre Vertragserklärung mit Schriftsatz vom 18.7.2008.

Hierauf hat zunächst die Klägerin vor dem LG Karlsruhe Klage erhoben, mit der sie die Feststellung der Wirksamkeit des Darlehensvertrages sowie das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts und von Schadensersatzansprüchen begehrt hat.

Mit ihrer auf Rückabwicklung und Schadensersatz gerichteten Widerklage hat die Beklagte geltend gemacht, der Darle...

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