Leitsatz (amtlich)
Der Risikoausschluss der bewussten Pflichtwidrigkeit in der Architekten-Haftpflichtversicherung setzt auch bei technischen Regeln voraus, dass diese im Rahmen der Auftragserfüllung zu beachten waren.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 19.03.2003; Aktenzeichen 1 O 1/02) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Mannheim vom 19.3.2003 – 1 O 1/02 – wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)
Der Kläger begehrt Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung bedingungsgemäßem Versicherungsschutzes aus einer Berufshaftpflichtversicherung, die der Kläger als Statiker bei der Beklagten vom 1.1.1985 bis 31.12.1995 nach Maßgabe der AHB und der „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung für Architekten und Bauingenieure, sonstige freischaffende Ingenieure, Vermessungsingenieure, Baubeamte” (BBR) unterhielt. Der Kläger erhielt im Jahre 1994 von der Bauträgerfirma Wu GmbH, Fr, den Auftrag, Schallschutznachweise für deren Bauvorhaben „V-Straße Bad Fr”, das den Neubau von vier Reihenhäusern vorsah, zu erstellen. Der Kläger fertigte die Schallschutznachweise. Dabei errechnete hinsichtlich der einschaligen Gebäude-Trennwände ein Schalldämmmaß von 57 dB und wies die Firma Wu GmbH fernmündlich darauf hin, dass einschalige Trennwände nur ausreichend für Wohnungstrennwände in Familienhäusern seien. Die Bauträgerfirma wird wegen mangelnden Schallschutzes der Gebäude in Anspruch genommen und will beim Kläger im Fall ihrer Haftung Rückgriff nehmen. Die Beklagte hat dem Kläger Deckungsschutz insb. deshalb versagt, weil er bewusst gegen Vorschriften und Pflichten verstoßen und damit den Tatbestand des Risikoausschlusses nach A. I. 1. § 4 Nr. 8 BBR erfüllt habe.
Das LG hat der Klage auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, bedingungsgemäßen Versicherungsschutz für die von der Fa. Wu GmbH, Bad Fr gegen den Kläger geltend gemachten Haftpflichtansprüche aus dem Bauvorhaben Ha, V-straße, Bad Fr zu gewähren, stattgegeben und ausgeführt, der Kläger habe Pflichten nicht wissentlich verletzt. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des LG vom 19.3.2003 Bezug genommen. Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte weiterhin unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen. Zweitinstanzliche Änderungen und Ergänzungen ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.
II. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)
Der Kläger kann von der Beklagten Deckungsschutz beanspruchen. Im Berufungsverfahren ist alleiniger Streitpunkt noch, ob die Voraussetzungen des Risikoausschlusses nach A. I. 1. § 4 Nr. 8 BBR vorliegen, wonach Ansprüche wegen Schäden ausgeschlossen sind, die der Versicherungsnehmer oder ein Mitversicherter durch ein bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidriges Verhalten verursacht hat. Der Senat teilt i.E. die Ausführungen des LG, dass der Kläger bei der Erstellung des Schallschutznachweises nach der DIN 4109 Stand November 1989 nicht bewusst pflichtwidrig gehandelt hat.
1. Der in A. I 1. § 4 Nr. 8 BBR enthaltene Risikoausschluss greift in Abweichung von § 152 VVG schon dann ein, wenn der Versicherte die Schadenszufügung unter bewusstem Verstoß gegen gesetzliche oder auf andere Weise begründete Pflichten herbeiführt, jedoch ohne Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Anzulasten sein muss ihm demnach die Verletzung einer – für ihn verbindlich begründeten – Pflicht. Ein derartiger Pflichtverstoß lässt sich nur dadurch geltend machen, dass aufgezeigt wird, wie sich der Versicherte hätte verhalten müssen. Für einen bewussten Pflichtverstoß muss darüber hinaus dargelegt werden, der Versicherte habe gewusst, wie er sich hätte verhalten müssen. Wusste der Versicherte gar nicht, was er hätte tun oder unterlassen müssen, um dem Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens zu entgehen, so kommt ein bewusster Pflichtverstoß gem. A. I 1. § 4 Nr. 8 BBR nicht in Betracht. Somit muss sich nur der Versicherte den Risikoausschluss entgegenhalten lassen, der bewusst verbindliche Handlungs- (oder Unterlassungs-) Anweisungen nicht beachtet, mit denen ihm ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben worden ist, (BGH VersR 1959, 691; v. 17.12.1986 – IVa ZR 166/85, MDR 1987, 479 = VersR 1987, 174).
2. Die Voraussetzungen eines objektiven Pflichtverstoßes, der dem Kläger auch in subjektiver Hinsicht anzulasten ist, liegen danach nicht vor. Der Kläger hatte auftragsgemäß zu prüfen, ob die Planungen des Architekten der Fa. Wu GmbH den öffentlich-rechtlichen Anforderungen des Schal...