Leitsatz (amtlich)
Auch beim Tode eines von mehreren Mietern treten dessen Familienangehörige unter den Voraussetzungen des § 569 a Abs. 2 S. 1 BGB in den Wohnraummietvertrag ein.
Gründe
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin vermietete im Jahre 1978 eine 4 Zimmer - Wohnung in ihrem Hause an die Mutter des Beklagten und deren Freundin. Im Haushalt der Mieterinnen lebte auch der damals minderjährige Beklagte. Die Mutter des Beklagten ist im Jahre 1983, deren Freundin, die das Mietverhältnis weiter führte, im Juni 1988 gestorben.
Die Klägerin begehrt von dem Anfang des Jahres 1988 volljährig gewordenen Beklagten, der die Wohnung weiterhin nutzt, deren Räumung. Sie ist der Auffassung, zwischen den Parteien sei kein Mietvertrag zustandegekommen. Hilfsweise hat sie ein etwa bestehendes Mietverhältnis im Verlaufe des Rechtsstreits mehrfach wegen unerlaubter Untervermietung, Zahlungsrückständen und Verstößen gegen die Hausordnung gekündigt.
Der Beklagte meint, er sei nach dem Tode der Mutter, spätestens aber nach dem Tode der Freundin, kraft Gesetzes in das Mietverhältnis eingetreten, wobei letztere ihn als Pflegekind angenommen habe. Er hat Vertragsverletzungen bestritten und insbesondere behauptet, die Untervermietung sei der Klägerin seit 1986 bekannt gewesen und von ihr gebilligt worden.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das LG Karlsruhe durch Beschluß vom 28. 7. 1989 dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Tritt beim Tode eines von mehreren Mietern der Sohn des verstorbenen Mieters als Familienangehöriger gem. § 569 a Abs. 2 S. 1 BGB in das Mietverhältnis ein oder ist diese Vorschrift nur anzuwenden, wenn der verstorbene Mieter alleiniger Mieter gewesen ist?
Die Vorlage ist zulässig.
1. Die vorgelegte Rechtsfrage betrifft den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum. Sie ist bisher durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden und auch von grundsätzlicher Bedeutung. Wie der Vorlagebeschluß zutreffend darlegt, wird die Anwendung von § 569 a Abs. 2 S. 1 BGB bei einer Mehrheit von Mietern im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (bejahend Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12 Aufl., § 569 a Rdn. 7; Sternel, Mietrecht, 3 Aufl., I 76; verneinend Münch-Komm./Voelskow, 2. Aufl., § 569 a Rdn. 12; Hans, Das neue Mietrecht, § 569 a Anm. 1; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, 3. Aufl., Rdn. 10; Palandt/Putzo, BGB, 48. Aufl., § 569 a Anm. 2 a). Daß veröffentlichte Entscheidungen bisher offenbar fehlen, steht der Zulässigkeit der Vorlage nicht entgegen. Da in den letzten Jahren Mietverträge mit einer Mehrheit von Mietern (sog. Wohngemeinschaften) weithin üblich geworden sind, ist zu erwarten, daß die Frage noch im Hinblick auf die unterschiedlichen Stellungnahmen in der Literatur keine einheitliche Rechtsprechung bildet. Daher ist ein Bedürfnis für eine verbindliche obergerichtliche Entscheidung schon jetzt zu bejahen (vgl. auch OLG Hamburg WuM 1988, 83; BayObLG WuM 1988, 257).
2. Die Rechtsfrage ist auch für die Entscheidung über die Berufung erheblich.
a) Eine Erbenstellung des Beklagten und ein daraus folgender Eintritt in den Mietvertrag ist nicht behauptet. Nach Auffassung des Landgerichts stand der Beklagte zu der Freundin seiner Mutter jedenfalls nach Eintritt der Volljährigkeit nicht mehr in einem Pflegekindverhältnis. Weiter verneint das Berufungsgericht ein Kündigungsrecht der Klägerin aus §§ 553, 554 Abs. 1 Nr. 1 BGB schon nach deren eigenen Vorbringen. Zwar erscheint dem Senat die Begründung des Vorlagebeschlusses, die Kündigung vom 28. 11. 1988 wegen vertragswidriger Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten sei nach der als Abmahnung zu wertenden Räumungsklage vom 28. 10. 1988 verfrüht erfolgt und daher unwirksam, rechtlich nicht unbedenklich. Indessen hat das Landgericht seine Ansicht nachvollziehbar dargelegt; sie ist im Ergebnis auch nicht offensichtlich unhaltbar und daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (RE vom 25. 3. 1981 - WuM 1981, 173), der sich die Mehrzahl der Oberlandesgerichte inzwischen angeschlossen hat (vgl. OLG Hamm WuM 1985, 213; OLG Hamburg WuM 1986, 12), von dem um den Erlaß eines Rechtsentscheids angerufenen Gericht hinzunehmen, weil der Rechtsstreit trotz der Vorlage beim Landgericht anhängig bleibt und es grundsätzlich nicht Aufgabe des Obergerichts ist, sich mit Problemen des konkreten Falles zu befassen, die die vorgelegte Rechtsfrage nicht unmittelbar betreffen.
b) Im übrigen müßte das Landgericht bei Schlüssigkeit des Vorbringens der Klägerin zu § 553 BGB zunächst in eine Beweisaufnahme über die Behauptung des Beklagten eintreten, die Klägerin wisse schon seit 1986 von der Untervermietung und habe früher keine Einwendungen dagegen erhoben. Die nach § 554 a BGB geltend gemachten Gründe können, wie der Vorlagebeschluß zutreffend ausführt, ebenfalls nicht ohne Vernehmung von Zeugen beurteilt werden. Dagegen ist der Rechtsstreit im Sinne der Berufung sofort entscheidungsreif, wenn ein Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht zustandegek...