Entscheidungsstichwort (Thema)
Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Aus der Mitteilung muss sich ergeben, welche der beiden maßgeblichen Rechnungsgrundlagen sich verändert hat sowie dass es einen in Gesetz oder Tarifbedingungen vorab festgelegten Schwellenwert gibt, dessen Überschreitung die Prämienanpassung ausgelöst hat. Diese Angabe muss sich auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen.
2. Bei der Beurteilung ist das an den Versicherungsnehmer versandte Mitteilungsschreiben in Verbindung mit weiteren allgemeinen Informationen in den beigefügten Informationsschreiben zu betrachten.
Normenkette
VVG § 203 Abs. 2 S. 1, Abs. 5
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 28.07.2023; Aktenzeichen 21 O 159/22) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28.07.2023 (21 O 159/22) wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses und das in Ziff. I. genannte Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung.
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert, mitversichert sind u.a. die Kinder He. und Ca.. Im Streit stehen in der Berufungsinstanz noch Beitragsanpassungen der Jahre 2018, 2019, 2020 und 2021. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Unwirksamkeit zweier Beitragsanpassungen zum 01.01.2015 festgestellt und die Beklagte diesbezüglich zur Rückzahlung von 104,88 EUR verurteilt. Anlässlich der entsprechenden Beitragsanpassungen habe die Beklagte es versäumt, den Kläger hinreichend darauf hinzuweisen, dass insofern die Überschreitung eines gesetzlichen oder tariflichen Schwellenwerts erforderlich sei. Die Beitragsanpassungen zum 01.01.2018, 01.01.2019, 01.01.2020 und 01.01.2021 seien hingegen jeweils formell wirksam erfolgt. Hinsichtlich eventueller Ansprüche auf Rückerstattung zu viel geleisteter Prämien bis zum 31.12.2018 sei Verjährung eingetreten.
Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine ursprünglich gestellten Anträge weiter, soweit das Landgericht seine Klage abgewiesen hat. Er begründet seine Berufung damit, dass die Beklagte es auch hinsichtlich der weiteren Beitragsanpassungen unterlassen habe, dem Kläger die insofern maßgeblichen Gründe nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilen. Das Anschreiben hinsichtlich der Beitragsanpassung zum 01.01.2018 mache auch in der Gesamtschau mit dem beigefügten Infoblatt nicht hinreichend deutlich, dass bei der Tariferhöhung ein im Gesetz oder in Tarifbedingungen festgelegter Schwellenwert überschritten wurde. Auch im Anschreiben hinsichtlich der Beitragsanpassung zum 01.01.2019 werde nur allgemein der Mechanismus des Schwellenwertes beschrieben. Weiter werde der Eindruck erweckt, dass jegliche Abweichung zum ursprünglich Erwarteten zu einer Beitragsanpassung führe. Hinsichtlich der Beitragsanpassungen zum 01.01.2020 und zum 01.01.2021 führe die fehlerhafte Definition der "Versicherungsleistung" im Informationsblatt zur formellen Unwirksamkeit, da auch eine mögliche Erhöhung der Leistungen auf Grund des medizinischen Fortschritts aufgeführt werde.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 5.548,86 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Neufestsetzung der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer ...7 unwirksam sind:
a) die Anpassung des Beitrags im Tarif P. zum 01.01.2018 in Höhe von 49,90 EUR
b) die Anpassung des Beitrags im Tarif P. GZ zum 01.01.2018 in Höhe von 3,01 EUR
c) die Anpassung des Beitrags im Tarif He. N. zum 01.01.2018 in Höhe von 10,87 EUR
d) die Anpassung des Beitrags im Tarif P. zum 01.01.2019 in Höhe von 44,50 EUR
e) die Anpassung des Beitrags im Tarif P. GZ zum 01.01.2019 in Höhe von 2,69 EUR
f) die Anpassung des Beitrags im Tarif Ca. P. zum 01.01.2020 in Höhe von 7,04 EUR
g) die Anpassung des Beitrags im Tarif He. N. zum 01.01.2020 in Höhe von 8,61 EUR
h) die Anpassung des Beitrags im Tarif P. zum 01.01.2021 in Höhe von 45,00 EUR
i) die Anpassung des Beitrags im Tarif P. GZ zum 01.01.2021 in Höhe von 2,71 EUR
l) die Anpassung des Beitrags im Tarif Ca. P. zum 01.01.2021 in Höhe von 6,20 EUR
j) die Anpassung des Beitrags im Tarif He. N. zum 01.01.2021 in Höhe von 8,32 EUR
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt d...