Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Vereinsvorstands bei verzögerter Beantragung eines Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Die in § 42 Abs. 2 S. 2 BGB enthaltene Regelung der Haftung des Vereinsvorstandes bei verzögerter Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weist keine planwidrige und durch analoge Anwendung der §§ 64 GmbHG; 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG; 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG zu schließende Regelungslücke auf.

 

Normenkette

BGB § 42 Abs. 2 S. 2; GmbHG § 64; AktG § 93 Abs. 3 Nr. 6; GenG § 34 Abs. 3 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 25.07.2007; Aktenzeichen 2 O 224/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.02.2010; Aktenzeichen II ZR 156/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Offenburg vom 25.7.2007 - 2 O 224/06 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 186.736,55 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von 186.736,55 EUR in Anspruch.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Tennisclub Z. e.V., das am 1.9.2004 eröffnet worden ist. Der satzungsmäßige Zweck des Vereins war die Pflege und Förderung des Tennis-, Badminton- und Squashsports. Der Verein war nach seiner Satzung selbstlos tätig und verfolgte nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Vorstandsvorsitzender war der am 9.5.2004 verstorbene H.H. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 waren stellvertretende Vorsitzende und der Beklagte Ziff. 3 Schatzmeister. In der Satzung war bestimmt, dass Vorstand i.S.d. § 26 BGB der Vorsitzende allein ist und außerdem der Schatzmeister zusammen mit einem der stellvertretenden Vorsitzenden. Der Verein war Inhaber eines am 10.11.1988 in das Grundbuch eingetragenen, für die Dauer von 50 Jahren bestellten Erbbaurechts. In den Jahresabschlüssen 2002 und 2003 ist das Erbbaurecht mit einem Wert von jeweils 2.875.000 EUR angesetzt worden. Die Jahresabschlüsse wiesen deshalb einen "Vermögensüberhang" von 416.972 EUR bzw. 387.367,32 EUR aus. Am 2.6.2004 haben die Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 3 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gestellt.

Der Kläger hat behauptet, das Erbbaurecht habe tatsächlich einen viel geringeren Wert gehabt. Der Verein sei spätestens seit dem 31.12.2002 überschuldet gewesen. Dennoch hätten H.H. und die Beklagten Ziff. 1 bis 3 die Geschäfte fortgeführt und Forderungen i.H.v. 754.679,26 EUR auf jeweils debitorisch geführte Bankkonten des Vereins bei der Sparkasse H.-Z. und der Volksbank L. eingezogen. Gegenstand der Klage seien die im Zeitraum vom 1.1. bis zum 2.6.2004 eingezogenen Forderungen. Hierbei handele es sich um Zahlungen im Sinne der §§ 64 Abs. 2 GmbHG (a.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG und 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG. Wie sich aus den im Jahr 2005 veröffentlichen Aufsätzen zweier Rechtsanwälte (Wischemeyer, DZWIR 2005, 230; Passarge, ZInsO 2005, 176) ergebe, seien diese Vorschriften analog auf den Vorstand eines eingetragenen Vereins anzuwenden. Der Insolvenzverwalter, der den Vereinsvorstand aufgrund verspäteter Insolvenzantragstellung in Haftung nehme, solle nicht allein auf die §§ 823 Abs. 2, 42 Abs. 2 Satz 2 BGB verwiesen werden. Die entsprechende Haftung aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG (a.F.) habe sich in der Praxis nahezu als wirkungslos erwiesen. Der Gesetzgeber habe bei der Änderung des § 42 BGB im Zusammenhang mit der Einführung der Insolvenzordnung keine Erwägungen im Hinblick auf die zivilrechtliche Haftung des Vereinsvorstandes angestellt. Eine angemessene Durchdringung der Problematik könne dem modernen Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Dass sich die Beklagte Ziff. 1 auf die interne Geschäftsverteilung des Vorstandes verlassen habe, entlaste sie ebensowenig wie ihre zeitweilige Erkrankung im ersten Halbjahr 2004. Es sei auch unerheblich, dass GmbH-Geschäftsführer eine adäquate Entlohnung für ihre Tätigkeit erhielten, während der Vorstand des Vereins ehrenamtlich tätig sei. Die Einnahmen und Ausgaben des Vereins seien höher gewesen als die vieler Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Die Beklagten haben bestritten, dass der Verein überschuldet war. Sie haben die Ansicht vertreten, dass § 64 Abs. 2 GmbHG (a.F.) und dessen Parallelvorschriften mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht analog anwendbar seien. Überweisungen auf ein debitorisch geführtes Konto seien keine Zahlungen im Sinne dieser Vorschriften. Zahlungen an bevorrechtigte Gläubiger, die im Insolvenzverfahren in gleicher Höhe zu leisten gewesen wären, und wertausgleichende Zahlungen für die Ablösung eines Aus- oder Absonderungsrechts fielen nicht unter § 64 Abs. 2 GmbHG (a.F.). Die Banken seien über Grundsch...

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