Leitsatz (amtlich)
Ein versicherter Raub liegt bei einem geplanten Trickdiebstahl vor, wenn der Versicherte die Wegnahme bereits im Moment der Tat bemerkt, den Gegenstand noch zu fassen bekommt, ihm aber aus diesem Griff entrissen wird.
Das Tragen einer Armbanduhr entspricht ihrem gewöhnlichen Verwendungszweck. Daraus ergibt sich grundsätzlich auch dann kein Sorgfaltsverstoß, wenn es sich um eine wertvolle Uhr handelt und sie - innerhalb Deutschlands - auf der Straße getragen wird
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 01.04.2016; Aktenzeichen 7 O 307/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 01.04.2016 - 7 O 307/15 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.100 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit 09.12.2014 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit 31.10.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Hausratversicherung wegen der Entwendung einer Uhr. Dem Versicherungsvertrag liegen die "Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen" (im Folgenden: VHB 2011) zu Grunde, die eine Entschädigung im Fall eines Raubes vorsehen. § 5 Nr. 3 VHB 2011 lautet auszugsweise:
"Raub liegt vor, wenn
a) gegen Sie Gewalt angewendet wird, um Ihren Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen ... auszuschalten; Gewalt liegt nicht vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl)".
Die Parteien streiten darüber, ob ein Raub oder ein Trickdiebstahl vorliegt. Das LG hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Klägers abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und - entsprechend seinen erstinstanzlichen Anträgen - zu entscheiden wie zuerkannt.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf die Versicherungsleistung wegen Raubes zu, § 1 S. 1 VVG, § 3 Nr. 1b VHB 2011.
1. Abweichend vom LG geht der Senat aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers von einem Raub im Sinne der Versicherungsbedingungen aus, § 5 Nr. 3a VHB 2011.
a) Nach § 5 Nr. 3a Hs. 2 VHB 2011 setzt ein versicherter Raub voraus, dass der Täter gegen den Versicherungsnehmer Gewalt anwendet, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten, nicht hingegen, wenn die Entwendung ohne Überwindung eines bewussten Widerstands erfolgt. Der vom Kläger behauptete Hergang erfüllt die Voraussetzungen eines versicherten Raubes; davon ist in rechtlicher Hinsicht auch das LG zutreffend ausgegangen.
Dabei kommt es auf die im Einzelnen umstrittene rechtliche Abgrenzung zwischen versichertem Raub und nicht versichertem Trickdiebstahl nicht an. Zum Teil wird bereits das vom Opfer bemerkte plötzliche Wegreißen am Körper getragener Sachen als Raub im versicherungsrechtlichen Sinn eingeordnet (so - mit beachtlichen Argumenten - Bruck/Möller/Jula, VVG, 9. Aufl., § 3 Einbruchsdiebstahl Rn. 54; Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 29. Aufl., VHB A. § 3 Rn. 13; zu abweichenden Versicherungsbedingungen vgl. auch BGH NJW 1977, 1059; OLG Köln VersR 2007, 1270; Versicherungsombudsmann r+s 2004, 198). Aber auch die restriktivere Gegenauffassung bejaht einen Raub zumindest dann, wenn das Opfer die Absicht des Täters rechtzeitig erkennt und die Sache über das zur Überwindung der Schwerkraft übliche Maß hinaus derart festhält, dass der Täter einen erheblichen Kraftaufwand entfalten muss (OLG Düsseldorf VersR 2015, 748; OLG Karlsruhe - 19. Zivilsenat - VersR 2009, 1360; vgl. auch Günther r+s 2007, 265, 269 mwN.).
Ein über das normale Maß hinausgehendes Festhalten macht der Kläger hier geltend, indem er behauptet, er habe die Wegnahme bereits im Moment der Tat bemerkt und das Armband der Uhr noch zu fassen bekommen, als der Täter die Uhr über seine Hand streifte; aus diesem Griff habe der Täter ihm die Uhr entrissen.
b) In tatsächlicher Hinsicht erachtet der Senat diesen Geschehensablauf aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers für erwiesen, §§ 286, 141 ZPO.
Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass in der Hausratversicherung zugunsten des Klägers Beweiserleichterungen eingreifen. Die Entwendung als solche ist hier ohnehin unstreitig, muss also vom Kläger nicht bewiesen werden. Beweiserleichterungen gelten aber auch für die Frage der Begehungsweise. Grundsätzlich genügt es, wenn der Versicherungsnehmer lediglich nachweist, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine versicherte Entwendungsart besteht (vgl. BGH NJW 1991, 3248; Prölss/Mar...