Entscheidungsstichwort (Thema)
Erblasserwille. Nacherbenanwartschaftsrecht. Vererblichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wille des Erblassers, der als sog. innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich ist, ist unstreitig, wenn die Parteien allein über die Frage der Vererblichkeit des Nacherbenrechts streiten, weil der Wille der Eheleute auf die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft im gemeinschaftlichen Testament gerichtet gewesen sei.
2. Wer sich auf einen von der Regel des § 2108 Abs. 1 BGB abweichenden Erblasserwillen beruft, ist dafür auch dann darlegungs- und beweispflichtig, wenn sich Ehegatten zu befreiten Vorerben und ihren einzigen kinderlosen Sohn zum Nacherben eingesetzt haben.
Normenkette
ZPO § 123; BGB §§ 2108, 741, 749, 753, 2069, 2108 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 14.12.2007; Aktenzeichen 8 O 424/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 14.12.2007 - 8 O 424/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 80.000 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 31.3.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten als Testamentsvollstrecker nach dem Tode ihres Schwiegervaters B. W. auf Auszahlung des hälftigen Erlöses aus der Veräußerung eines Grundstücks in Anspruch, das ursprünglich dem Verstorbenen und seiner vorverstorbenen Frau M. W, gehört hatte.
Die Eheleute M. und B. W. errichteten am 17.6.1993 ein gemeinschaftliches Testament, das das Nachlassgericht nach dem Tode der Ehefrau dahingehend auslegte, dass die Eheleute sich gegenseitig zu befreiten Vorerben und ihren damals einzigen Sohn W., den Ehemann der Klägerin, als Nacherben eingesetzt hatten. Nachdem W. im Jahr 2000 verstorben war, errichtete sein noch lebender Vater B. W. mehrere Testamente, in der er unterschiedliche Erbfolgen bestimmte. Nach dessen Tod veräußerte die Erbengemeinschaft auf B. W., an der die Klägerin beteiligt ist, mit ihrer Zustimmung das ehemalige Familienwohnheim der Eheleute W. zum Preis von 160.000 EUR. Die Klägerin begehrt den hälftigen Erlös daraus für sich allein, da sie als Alleinerbin ihres Ehemannes zunächst Inhaberin eines Anwartschaftsrechts auf die Nacherbschaft nach M. W. und mit dem Tode von B. W. Nacherbin geworden sei, so dass sie als Rechtsnachfolgerin von M. W. hälftige Miteigentümerin am Grundstück gewesen sei. Das LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht Nacherbin nach M. W. geworden sei. Die ergänzende Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ergebe, dass die Schwiegereltern der Klägerin die Nacherbschaft nicht vererblich ausgestalten wollten.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie unter dessen Abänderung beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 80.000 EUR nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 26.10.2006 zu zahlen, während der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Auszahlung der von ihm treuhänderisch verwalteten 80.000 EUR aus dem Verkauf des Grundstücks gem. §§ 753, 741, 749 BGB zu. Die Klägerin war als Alleinerbin ihres vorverstorbenen Ehemanns gem. § 1922 BGB in dessen Stellung als anwartschaftsberechtigter Nacherbe nach M. W. eingetreten, §§ 2100, 2108 Abs. 1, 1923 BGB. Mit dem Tode des Vorerben B. W. trat der Nacherbfall ein und sie wurde als Nacherbin Rechtsnachfolgerin der Miteigentümerin M. W. zu ½ des veräußerten Grundstücks, während die Erbengemeinschaft nach B. W. Eigentümerin der anderen Hälfte wurde.
I. Die Eheleute Bodo und M. W. haben in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 17.6.1993 (§§ 2265, 2267 BGB) sich gegenseitig zu Vorerben und ihren Sohn W. zum Nacherben eingesetzt. Das hat das LG für den Senat bindend gem. § 529 ZPO festgestellt. Die Parteien sind von Anfang an übereinstimmend davon ausgegangen, dass allein die Frage der Vererblichkeit des Nacherbenrechts zwischen ihnen im Streit steht (s. insb. Schriftsatz des Beklagten vom 21.5.2007, S. 2, I 51), weil der Wille der Eheleute auf die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft im gemeinschaftlichen Testament gerichtet gewesen sei. Diese Frage ist entgegen der Auf...