Leitsatz
Der Erblasserwille ist als sog. innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich. Wer sich auf einen von der Regel des § 2108 Abs. 1 BGB abweichenden Erblasserwillen beruft, ist hierfür darlegungs- und beweispflichtig. § 2069 BGB geht dem § 2108 Abs. 2 BGB nicht vor, da die allgemeine Lebenserfahrung und typische Interessenlage nicht ausreichen, um beim Fehlen einer ausdrücklichen Erblasserverfügung als Regel anzunehmen, der Erblasser wolle einer Berufung der Abkömmlinge als Ersatzerben den Vorzug geben vor der gesetzlichen oder gewillkürten Weitervererbung der Nacherbenanwartschaft durch den Nacherben selbst.
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt vom Testamentsvollstrecker Auszahlung des hälftigen Erlöses aus der Veräußerung eines Grundstücks, das im Eigentum ihres vertorbenen Schwiegervaters B und dessen vorverstorbener Frau M stand. In einem gemeinschaftlichen Testament (§§ 2265, 2267 BGB) bestimmten sich B und M 1993 zu befreiten Vorerben und ihren Sohn W zum Nacherben. Weitere Regelungen unterblieben. W war damals 47 Jahre alt, die Klägerin 45 Jahre. Nach dem Tode des W im Jahre 2000 errichtete B. noch weitere Testamente mit abweichenden Erbfolgen. Nach dessen Tod veräußerte die Erbengemeinschaft, deren Mitglied die Klägerin ist, das Familienwohnheim.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehen 50 % des Erlöses zu, da sie als Alleinerbin nach W zunächst Inhaberin eines Anwartschaftsrechts auf die Nacherbschaft nach M und nach dem Tode des B Nacherbin geworden sei. Sie sei daher als Rechtsnachfolgerin der M hälftige Miteigentümerin des Grundstücks gewesen. Der beklagte Testamentsvollstrecker führt aus, die Testamentsauslegung ergebe, dass die Schwiegereltern die Nacherbschaft nicht vererblich ausgestalten wollten.
Entscheidung
Die zulässige Berufung, in der allein die Vererblichkeit des Nacherbenrechts streitig ist, hat hinsichtlich der Hauptforderung Erfolg. Der Auszahlungsanspruch der Klägerin beruht auf §§ 753, 741, 749 BGB. Mit dem Tode des W wurde sie als Alleinerbin anwartschaftsberechtigte Nacherbin nach M, §§ 2100, 2108 Abs. 1, 1923 BGB. Mit dem Eintritt des Nacherbfalls wurde sie Miteigentümerin an dem veräußerten Grundstück zu ½. Dies ergibt sich nach Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments. Hierbei ist der Wille des Erblassers als sog. innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich. Insoweit ist die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft unstreitig.
Darüber hinaus geht § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB als Auslegungsregel grundsätzlich von der Vererblichkeit des Nacherbschaftsrechts aus. Wer Gegenteiliges behauptet, ist hierfür darlegungs- und beweispflichtig. Dieser Beweis ist dem Beklagten nicht gelungen. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 2069 BGB, da dieser dem § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB nicht vorgeht und auf die Ehefrau nicht anwendbar ist.
Auch die späteren Testamente des B lassen nicht den Schluss zu, nur Blutsverwandte bedenken zu wollen, da er auch gemeinnützige Organisationen und die Klägerin in unterschiedlichen Höhen bedacht hatte. Angesichts des Alters des Sohnes und der Klägerin bei Testamentserrichtung war schon damals nicht mit Nachkommen zu rechnen. Das gespannte Verhältnis von M und B zur Zeit des Zusammenlebens von "zwei Generationen unter einem Dach" ist auch nicht so ungewöhnlich, dass sich hierdurch etwas anderes ergeben würde. Es ist daher von der Vererblichkeit des Nacherbschaftsrechts auszugehen.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.11.2008, 7 U 8/08