Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verjährung bereicherungsrechtlicher Ansprüche nach der Teilnahme an Online-Casinospielen und Online-Sportwetten unter dem GlüStV 2012.
2. § 284 StGB ist Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB
Normenkette
BGB §§ 134, 195, 199, 242, 762, 814, 817, 823 Abs. 2; EGV 44/2001 § 17 Abs. 1; GlüStVtr BW 2012 § 4; StGB § 284
Verfahrensgang
LG Mosbach (Urteil vom 04.01.2023; Aktenzeichen 1 O 149/22) |
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 04.01.2023, 1 O 149/22, werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 1 84%, die Beklagte zu 2 16%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger fordert von den Beklagten bei Online-Glücksspielen bzw. Online-Sportwetten entstandene Verluste zurück.
Die in Malta ansässigen Beklagten sind Unternehmen, die im Internet über ihre Webseite .... Online-Casinospiele (Beklagte zu 1) bzw. Online-Sportwetten (Beklagte zu 2) anboten. Die Beklagten verfügten in diesem Zeitraum lediglich über eine maltesische Glücksspiellizenz, jedoch nicht über eine Erlaubnis oder Konzession, die ihr in Deutschland oder jedenfalls in Baden-Württemberg das Veranstalten von Online-Glücksspielen oder Sportwetten im Internet erlaubt hätten. Der Beklagten zu 2 wurde am 09.10.2020 vom Regierungspräsidium Darmstadt erstmalig eine Sportwettenkonzession zur Veranstaltung von Sportwetten im Internet und im stationären Bereich erteilt.
Der Kläger nahm im Zeitraum vom 17.04.2014 bis 31.07.2015 von seinem Wohnsitz in L. aus über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten an Online-Casino-Spielen der Beklagten zu 1 sowie an Online-Sportwetten der Beklagten zu 2 teil. Insgesamt hat der Kläger EUR 5.023,00 bei den Beklagten verspielt (Einzahlungen von insgesamt EUR 5.000,50 und Auszahlung von EUR 22,50), von der Beklagten zu 1 hat er erstinstanzlich EUR 4.182,70, von der Beklagten zu 2 EUR 840,30 zurückverlangt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Landgericht sei international zuständig. Auf den vorliegenden Fall sei deutsches Recht anwendbar.
Der Kläger hat behauptet, er habe als Verbraucher zur Freizeitgestaltung an den streitgegenständlichen Glücksspielen teilgenommen. Er sei davon ausgegangen, dass die von den Beklagten angebotenen Online-Casinospiele (Beklagte zu 1) bzw. Online-Sportwetten (Beklagte zu 2) gesetzlich erlaubt seien. Die AGB der Beklagten habe er nicht zur Kenntnis genommen. Erst im Herbst 2021 habe er zufällig im Internet erfahren, dass das Online-Glücksspiel grundsätzlich illegal sei.
Die mit den Beklagten geschlossenen Verträge seien wegen Verstoßes gegen § 4 des Glücksspielstaatsvertrags in der Fassung bis zum 30.06.2021 (GlüStV 2012) und gegen § 284 StGB gemäß § 134 BGB nichtig. § 4 Abs. 4 GlüStV sei weder europarechts- noch verfassungswidrig. Das Glücksspielangebot der Beklagten sei nicht behördlich geduldet gewesen, insbesondere auch nicht durch den Umlaufbeschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 08.09.2020. Eine etwaige Duldung wäre auch unbeachtlich. Die genannten Vorschriften seien zugleich Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Die der Beklagten zu 2 am 09.10.2020 erteilte Sportwettenkonzession betreffe nicht den hier streitgegenständlichen Zeitraum und entfalte keine Rückwirkung. Die Beklagten hielten sich auch nicht an das Einzahlungslimit von EUR 1.000,00 und verstießen gegen das Verlinkungsverbot. Der Kläger sei auch nicht bei Registrierung dazu aufgefordert worden, ein Einzahlungs- oder Verlustlimit festzulegen. Die Beklagte zu 2 habe zudem unzulässige Live-Ereigniswetten angeboten. Ein Mitverschulden des Klägers liege nicht vor. Die Annahme eines Mitverschuldens würde zudem dem Schutzzweck der verletzten Schutzgesetze zuwider laufen.
Seinen Rückzahlungsansprüchen stünden weder § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB noch § 814 1. Alt. BGB oder § 817 Satz 2 1. Hs. BGB entgegen. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Die Beklagten hätten den Kläger über die Legalität des Online-Glücksspielangebots getäuscht, so dass dieser trotz seines Einsatzes keinen durchsetzbaren Anspruch auf eventuelle Gewinne erlangt habe.
Der Kläger hat die mit den Beklagten geschlossenen Verträge widerrufen, da diese im Fernabsatz geschlossen worden seien, und macht im Übrigen Ansprüche auf Rückzahlung seiner Einsätze aus Bereicherungs- und Deliktsrecht geltend. Er ist der Auffassung, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 12 BGB nicht eingreife, weil die Vorschrift im Rahmen gesetzlich verbotener Spielteilnahmen nicht anzuwenden sei.
Die Ansprüche seien nicht verjährt. Die Rechtswidrigkeit der Verträge sei wegen der ungeklärten Rechtslage sogar von Experten nicht ohne weiteres erkennbar oder entscheidbar gewesen. Der Kläger habe von dem fehlenden Rechtsgrund erst durch entsprechenden Hinweis im Jahr 2021 erfahren.
Der Kläger hat in erster Instanz die Veru...