Leitsatz (amtlich)
Die Veranstaltung von Sportwetten im Internet ohne eine Erlaubnis der in Deutschland zuständigen Behörde und ohne Sicherstellung der Einhaltung der Regelungen zum Spielerschutz verstieß gegen § 4 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5 GlüStV 2012 und in Baden-Württemberg damit zugleich gegen § 2 Abs. 1, Abs. 2 LGlüG.
Dies konnte zur Nichtigkeit der Spielverträge nach § 134 BGB und zu einem Anspruch des Spielers auf Rückzahlung von verlorenen Spieleinsätzen nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB führen, wobei sogar die Voraussetzungen einer verschärften Haftung des Veranstalters der Sportwetten im Internet nach § 819 Abs. 1 BGB vorliegen können.
Normenkette
AEUV Art. 56; BGB §§ 134, 242, 762, 812 Abs. 1, §§ 817, 819; LGlüG BW § 2; EuGVVO § 17 Abs. 1 c), § 18 Abs. 1; GlüStV 2012 § 4; Rom-I-VO Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 28.02.2023; Aktenzeichen 3 O 177/22) |
Nachgehend
BGH (Beschluss vom 25.07.2024; Aktenzeichen I ZR 12/24) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 28.2.2023 - 3 O 177/22 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das zuvor genannte Urteil des Landgerichts Heidelberg in Ziffer 1 im Zinsanspruch abgeändert und dieser wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen (auf 134.390 EUR) in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 9.10.2020 zu zahlen.
Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger fordert von der Beklagten bei Online-Sportwetten entstandene Verluste zurück.
Die in Malta ansässige Beklagte ist ein Unternehmen, das im Internet über ihre deutschsprachige Version der Webseite https://.../ Sportwetten anbot. Wegen der Gestaltung ihrer Website wird auf den Screenshot AS I 125 Bezug genommen.
Der Kläger nahm im Zeitraum vom 17.11.2019 bis zum 8.10.2020 über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten von Deutschland aus an Online-Sportwetten teil. In diesem Zeitraum verspielte er 134.390 EUR.
Die Beklagte verfügte in diesem Zeitraum über keine Erlaubnis oder Konzession, die ihr in Deutschland und/ oder Baden-Württemberg das Veranstalten von Sportwetten im Internet erlaubt hätte. Am 9.10.2020 wurde ihr eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten im Internet in Deutschland von dem nunmehr zuständigen Regierungspräsidium Darmstadt erteilt.
Der Kläger hat behauptet, er habe das Angebot als Verbraucher ausschließlich in seiner Freizeit wahrgenommen und nicht gewusst, dass die angebotenen Online-Sportwetten nicht legal gewesen seien.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Landgericht sei international zuständig und die mit der Beklagten geschlossenen Verträge seien wegen Verstoßes gegen § 4 des Glücksspielstaatsvertrags in der Fassung bis zum 30.6.2021 (GlüStV 2012) gemäß § 134 BGB nichtig. Die seit Oktober 2020 für Sportwetten erteilte Konzession betreffe nicht den hier streitgegenständlichen Zeitraum. Online-Casino und Live-Wetten seien weiterhin illegal. Jedenfalls liege durch das Angebot auf einer Internetseite ein Verstoß gegen das Trennungsgebot vor, weshalb eine Lizenz auch nicht erteilt worden wäre. Eine Lizenz wäre auch nicht erteilt worden, weil das Einzahlungslimit von 1.000 EUR im Monat überschritten worden sei. Die Regelungen zum Verbot von Glücksspiel sein europarechts- und verfassungskonform.
Seinem Rückzahlungsanspruch könne weder die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB noch § 242 BGB entgegengehalten werden. Aufgrund der Werbung, der Medienpräsenz sowie mangels klarer und transparenter Hinweise für Teilnehmer aus Deutschland sei es für den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher nicht erkennbar, dass die Teilnahme illegal gewesen sei.
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt die Verurteilung der Beklagten in Höhe von 134.390 EUR nebst Prozesszinsen verlangt. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es fehle an der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Zudem habe der Kläger ein legales Angebot der Beklagten wahrgenommen. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sei wegen Art. 56 AEUV unionsrechtswidrig. Zudem bestehe eine Duldung von behördlicher bzw. verwaltungsrechtlicher Seite, welche eine auch rückwirkende und zivilrechtlich beachtliche Erlaubniswirkung entfalte. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 habe zudem schon keine Nichtigkeit zur Folge. Eine Nichtigkeit nach § 134 BGB komme nur bei einem beiderseitigen Gesetzesverstoß in Betracht, was einen bedingt vorsätzlichen Verstoß des Klägers voraussetzte. Dann sei aber g...