Leitsatz (amtlich)
Die Unbeachtlichkeit der Fristversäumnis nach § 186 S. 2 VVG betrifft nur solche Fristen, die der Versicherungsnehmer auf entsprechenden Hinweis durch sein Verhalten bewusst "einhalten" oder versäumen kann. Die Frist für den Invaliditätseintritt gehört nicht dazu; denn dabei handelt es sich um eine objektive Bedingung, deren Eintritt oder Nichteintritt der Versicherungsnehmer - unabhängig von einem Hinweis - nicht willentlich beeinflussen kann.
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 14.03.2016; Aktenzeichen 1 O 156/14) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Baden-Baden vom 14.03.2016 - 1 O 156/14 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Baden-Baden ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger begehrt - über vorprozessuale Zahlungen hinaus - weitere Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung; u.a. ist die Geltung der AUB 2000 vereinbart. Am 01.02.2012 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall Kopfverletzungen. Sein behandelnder Arzt bescheinigte ihm am 02.04.2013 unfallbedingte Dauerbeeinträchtigungen in Form von Narbenbeschwerden und Schwindel (Anl. K5, AH I 33). Die Beklagte erbrachte vorprozessual Leistungen auf der Grundlage eines von ihr angenommenen Grads der dauerhaften Beeinträchtigung von 3 %.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er leide unfallbedingt an Schwindel, Kopfschmerzen und Ohrgeräuschen; deshalb sei er zu 30 % dauerhaft beeinträchtigt. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
1. 23.538,80 EUR nebst fünf Prozentpunkte Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2014 zu zahlen, sowie
2. außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.242,84 EUR nebst fünf Prozentpunkte Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2014 zu zahlen, hilfsweise den Kläger von diesen Kosten freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten; wegen der Ergebnisse wird auf die schriftlichen Gutachten vom 25.02.2015 (nebst Zusatzgutachten, AS I 103-137) und 30.09.2015 (AS I 199 ff.) sowie das Protokoll vom 23.02.2016 (AS I 239 ff.) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe eine über 3 % hinausgehende unfallbedingte Dauerbeeinträchtigung nicht nachgewiesen. Soweit der Sachverständige eine diskrete Leistungsverzögerung des rechtsseitigen Blinkreflexes sowie eine Amplitudenminderung beim Trigemus-SEP rechts festgestellt habe, könne dies dem Unfall nicht zugeordnet werden. Denn entsprechende Beschwerden hätten gleich nach dem Unfall auftreten müssen und nicht - wie vom Kläger geschildert - etwa eineinhalb Jahre danach. Auch die vom Kläger angegebenen Ohrgeräusche, die etwa ein Jahr nach dem Unfall aufgetreten seien, könnten dem Unfall nicht ohne Weiteres zugeordnet werden. Unter Umständen komme ein Zusammenhang in Betracht, wenn es beim Unfall zu einem Schädelhirntrauma gekommen wäre. Ob dies der Fall gewesen sei, könne allenfalls anhand der unfallnahen Dokumentation beurteilt werden. Derartige Unterlagen habe der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung jedoch nicht vorgelegt. Ohne diese Unterlagen könne selbst durch ein erneutes MRT ein Zusammenhang der jetzigen Beschwerden mit dem Unfall nicht festgestellt werden. Nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen spreche gegen einen solchen Zusammenhang zudem, dass keinerlei Anhaltspunkte für Brückensymptome bestünden. Nachdem der Kläger die Vorlage der erforderlichen medizinischen Unterlagen versäumt habe, bedürfe es keiner weiteren Beweisaufnahme.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Es sei eine ergänzende Begutachtung erforderlich. Der Sachverständige und das LG hätten die vom Kläger vorgelegten Befunde nicht berücksichtigt. Das Gutachten sei nicht brauchbar, so dass die Sachverständigenkosten niederzuschlagen seien.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Baden-Baden abzuändern und nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden, hilfsweise das Urteil des LG Baden-Baden aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Baden-Baden zurückzuverweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Verfügungen vom 29.06.2016 (AS II 27) und 24.08.2016 (AS II 87) darauf hingewiesen, dass der Kläger bislang nicht vollständig zu den Anspruchsvoraussetzungen vorgetragen hat, insbesondere nicht zur Jahresfrist nach Ziff. 2.1.1.1 AUB 2000. Wegen der weiteren Einzelheiten...