Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist für den Anspruch auf Betriebsrente in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 52 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS) kann ein Anspruch auf Betriebsrente rückwirkend nur für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren vor dem Monat der Antragstellung geltend gemacht werden (Ausschlussfrist). Diese Satzungsregelung ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen Art. 14 GG.

2. Die VBL kann sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist nicht berufen, wenn den Versicherten kein Verschulden, was Letzterer zu beweisen hat, an der Fristversäumung trifft. Allein die Unkenntnis des Versicherten vom Antragserfordernis oder von seinen Leistungsansprüchen ist nicht geeignet, das Fristversäumnis als unverschuldet anzusehen.

 

Normenkette

BGB § 242; GG Art. 14; VBLS § 52

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 10.11.2017; Aktenzeichen 6 O 77/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer VI - vom 10.11.2017 - 6 O 77/17 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Nachzahlung von Betriebsrente für den Zeitraum von August 2010 bis September 2013.

Der am ... 1945 geborene Kläger ist seit 1977 bei der Beklagten (Anmerkung: dies ist die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder - VBL) versichert. Seit dem 01.08.2010 erhält er von der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte ein Altersruhegeld. Bei der Beklagten stellte er erst im Oktober 2015 einen Rentenantrag. Mit Schreiben vom 23.12.2015 teilte ihm die Beklagte mit, dass ab 01.02.2016 eine monatliche Betriebsrente von 657,89 EUR gezahlt werde und für die Zeit von 01.10.2013 bis 31.01.2016 eine Nachzahlung i.H.v. 18.226,16 EUR erfolge. Für weiter zurückliegende Zeiträume lehnte sie eine Nacherstattung wegen Ablaufs der zweijährigen Ausschlussfrist nach § 52 Satz 1 ihrer Satzung (im Folgenden: VBLS) ab.

§ 52 VBLS lautet wie folgt:

"1Der Anspruch auf Betriebsrente für einen Zeitraum, der mehr als zwei Jahre vor dem Ersten des Monats liegt, in dem der Antrag bei der Anstalt eingegangen ist, kann nicht mehr geltend gemacht werden (Ausschlussfrist). 2Dem Antrag steht eine Mitteilung der/des Berechtigten gleich, die zu einem höheren Anspruch führt. 3Die Beanstandung, die mitgeteilte laufende monatliche Betriebsrente, eine Rentennachzahlung, eine Abfindung, eine Beitragserstattung oder eine Rückzahlung seien nicht oder nicht in der mitgeteilten Höhe ausgezahlt worden, sind nur schriftlich und innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr zulässig; die Frist beginnt bei laufenden Betriebsrenten mit dem Ersten des Monats, für den die Betriebsrente zu zahlen ist, im Übrigen mit dem Zugang der Mitteilung über die entsprechende Leistung.

4Auf die Ausschlussfrist wird in der Mitteilung über die Leistung hingewiesen."

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, für die Berechnung der Nachzahlung sei der volle Zeitraum ab erstmaliger Möglichkeit des Rentenbezugs zugrunde zu legen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er nicht um die Erforderlichkeit eines vorherigen Rentenantrags gewusst habe, über die ihn die Beklagte entgegen § 52 Satz 4 VBLS auch nicht informiert habe. Überdies sei er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig einen Rentenantrag zu stellen. Jedenfalls sei die Satzungsbestimmung des § 52 VBLS verfassungswidrig, weil ein nicht gerechtfertigter Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG vorliege.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilten,

1. an den Kläger einen Betrag i.H.v. 24.069,47 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2015 zu bezahlen sowie

2. an den Kläger außergerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsbeistandskosten in Höhe von 1.242,84 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe wegen der Ausschlussfrist des verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden § 52 VBLS kein Anspruch auf Leistung einer Betriebsrente für die Zeit vor dem 01.10.2013 zu. Eine Belehrungs- oder Hinweispflicht ihrerseits bestehe nicht. Es sei Sache des Klägers gewesen, sich über das Antragserfordernis kundig zu machen. Dass er auf den automatischen Eintritt der Betriebsrente vertraut habe, hat sie mit Nichtwissen bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem Nachzahlungsbegehren des Klägers die Ausschlussfrist des wirksamen § 52 Satz 1 VBLS entgegenstehe. Hinsichtlich der Norm sei von einer eingeschränkten Prüfungsbefugnis der Gerichte auszugehen, da sie auf einer maßgebenden Grundentscheidung der Tarifpartner beruhe, die als solche der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen sei. Unbeschadet dessen dür...

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