Leitsatz (amtlich)
1. Zwischen der Verkäuferin einer Eigentumswohnung und dem Käufer kommt in der Regel ein konkludenter Beratungsvertrag zustande, wenn der Mitarbeiter einer von der Verkäuferin eingeschalteten Vertriebsfirma den Käufer mit einem "Besuchsbericht" wirbt, der Berechnungen zu Kosten und finanziellen Vorteilen des beabsichtigten Erwerbs enthält.
2. Gehört zum Vertriebskonzept der Verkäuferin der Beitritt des Käufers zu einem Mietpool, muss die Verkäuferin - im Rahmen des Beratungsvertrages - den Käufer über die generellen Risiken des Mietpoolkonzepts aufklären.
3. Die von dem Vertriebsmitarbeiter ggü. dem Käufer in den Berechnungen angegebenen Mietpoolausschüttungen müssen korrekt kalkuliert sein. Fahrlässig oder vorsätzlich zu hoch kalkulierte Mietausschüttungen vermitteln dem Käufer ein falsches Bild vom Mietertrag und verpflichten die Verkäuferin zum Schadensersatz (Rückabwicklung von Kauf und Finanzierungsverträgen).
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 15.07.2004; Aktenzeichen 8 O 33/03) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 15.7.2004 - 8 O 33/03 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 48.286,38 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wobei die Zinsen von der Beklagten Ziff. 1 ab dem 16.12.2002 zu zahlen sind und von der Beklagten Ziff. 2 ab dem 12.12.2002.
2. Die Beklagte Ziff. 2 wird verurteilt, an den Kläger weitere 76.182,49 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2002.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagten Ziff. 1 aus dem am 23.12./26.12.1992 zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau B. einerseits und der Beklagten Ziff. 1 andererseits geschlossenen Darlehensvertrag über 149.000 DM keine Ansprüche mehr zustehen.
4. Die Verurteilung gem. Ziff. 1 und Ziff. 2 erfolgt jeweils Zug um Zug gegen kostenneutrale Abgabe sämtlicher Erklärungen des Klägers und seiner Ehefrau B., die zur Übertragung des im Wohnungsgrundbuch des AG Westerstede von Westerstede Blatt ... eingetragenen Miteigentumsanteils von 258,759/10000 verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. im Hause Z. Straße, II. Obergeschoss rechts, auf die jeweilige Beklagte erforderlich sind.
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten ggü. dem Kläger als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche nach dem 31.12.2001 entstandenen und künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung der Eigentumswohnung Nr. in Westerstede, Z. Straße, stehen.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagten tragen die Kosten beider Rechtszüge als Gesamtschuldner.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte Ziff. 1 und die Beklagte Ziff. 2 können jeweils eine Vollstreckung des Klägers abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 150.000 EUR, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Für die Beklagte Ziff. 1 wird die Revision zugelassen. Für die Beklagte Ziff. 2 wird die Revision nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz nach einem aus seiner Sicht gescheiterten Erwerb einer Eigentumswohnung im Jahr 1992. Die Beklagte Ziff. 1 war als Bausparkasse mit der Finanzierung des Erwerbs befasst. Die Beklagte Ziff. 2 war die Verkäuferin der Wohnung. ...
Die Beklagte Ziff. 2 arbeitete in großem Umfang beim Vertrieb ihrer aus dem sozialen Wohnungsbau stammenden Wohnungen mit der H & B zusammen. Die Beklagte Ziff. 2 schloss mit der H & B entsprechende Vertriebsvereinbarungen in denen jeweils die Provisionen der H & B für die Vermittlung von Wohnungskäufern festgelegt wurden. In dem im Rechtsstreit relevanten Objekt in Westerstede wurden insgesamt 15 Wohnungskäufer von der H & B vermittelt. Unstreitig erhielt die H & B für diese Vermittlungsleistungen von der Beklagten Ziff. 2 eine Provision, die den Käufern gegenüber nicht offen gelegt wurde (Innenprovision). Die Höhe dieser Provision ist im Rechtsstreit von den Parteien nicht vorgetragen. Vertriebsvereinbarungen zwischen der Beklagten Ziff. 2 und der H & B aus den Jahren 1993 bis 1997, die den Verkauf von Wohnungen aus anderen (entsprechenden) Objekten betreffen, weisen in der Regel eine Innenprovision von 21,75 % (18,75 % zzgl. Mehrwertsteuer) aus (vgl. Anlagen LG K3).
Der Kläger und seine Ehefrau B. waren im Jahr 1992 jeweils 27 Jahre alt. Der Kläger ist von Beruf Maschinenschlosser, seine Ehefrau arbeitete damals als Verkäuferin in einer Bäckerei. Beide hatten im Jahr 1992 zusammen ein Bruttoeinkommen von 77.000 DM. Zur Finanzierung einer Immobilie stand ihnen kein Vermögen zur Verfügung (vgl. Anlagen LG K18). ...
Unmittelbar nach dem ersten der beiden Beratungsgespräche in X., am 1.12.1992, unterzeichneten d...