Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietminderung bei Kakerlaken in einem Bekleidungsgeschäft
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn Gewerberäume zum Betrieb eines Geschäfts für Damenbekleidung vermietet werden, ist das Auftreten von Kakerlaken in den Verkaufsräumen ein erheblicher Mangel des Mietobjekts.
2. Kakerlakenbefall in einem Geschäft für Damenbekleidung kann eine Mietminderung von 30 Prozent rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 536 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Aktenzeichen 1 O 1/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 09.08.2019 - 1 O 1/19 - aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
Gründe
I. Der Kläger hat im Verfahren vor dem Landgericht von dem Beklagten Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen verlangt.
Der Beklagte mietete im Jahr 2016 Gewerberäume im Anwesen S. 3 in B. zum Betrieb eines Ladengeschäfts für Damenbekleidung. Vermieter war G. B., der bei den Vertragsverhandlungen und bei Abschluss des Mietvertrages von dem Zeugen A. B. vertreten wurde. Das Mietverhältnis begann am 01.09.2016; die Miete betrug 600,00 EUR Kaltmiete zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 140,00 EUR, insgesamt monatlich mithin 740,00 EUR. Für die Zeit vom 01.09.2016 bis zum 31.08.2017 war eine reduzierte Miete in Höhe von 640,00 EUR vereinbart.
Es gab einen schriftlichen Mietvertrag (Anlage K 1, I, 9), der am 22.07.2016 für den Vermieter von dem Zeugen A. B. unterschrieben wurde, und am 07.09.2016 vom Beklagten. Der Zeuge A. B. hatte in dem von ihm verwendeten Mietvertragsformular eingetragen, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit laufen sollte, mit der Maßgabe einer Kündigungsfrist von sechs Monaten für jede der Parteien. Nachdem der Zeuge A. B. das von ihm bereits unterzeichnete Vertragsformular an den Beklagten übersandt hatte, wandte sich die für den Beklagten handelnde Zeugin N. an den Zeugen A. B.. Die Zeugin schlug telefonisch mehrere Ergänzungen und Änderungen gegenüber dem vom Zeugen A. B. bereits unterzeichneten Formular vor. Die Zeugen A. B. und N. einigten sich telefonisch auf verschiedene Vertragsänderungen, insbesondere auf die Vereinbarung einer Mietlaufzeit von fünf Jahren mit einer Verlängerungsoption auf weitere fünf Jahre. Die Zeugin N. hielt die telefonischen Vereinbarungen in einem schriftlichen "Nachtrag zum Mietvertrag vom 27.07.2016" fest. Den Nachtrag übersandte sie per Email an den Zeugen A. B., der den auf 01.08.2016 datierten Nachtrag ausdruckte und unterschrieb. Der Zeuge übersandte das von ihm unterzeichnetes Exemplar des Nachtrags an den Beklagten, der seinerseits den Nachtrag unterzeichnete (vgl. die Anlage B 1, I, 125). Ob der Beklagte anschließend ein von ihm unterzeichnetes Exemplar des Nachtrags an den Zeugen A. B. zurückgeschickt hat, ist streitig.
Der Beklagte rügte nach der Übergabe des Mietobjekts an ihn im September 2016 und im weiteren Verlauf der Mietzeit diverse Mängel des Objekts. Im Zusammenhang mit den Mängelrügen kürzte der Beklagte teilweise die Miete.
Ende des Jahres 2017 oder Anfang 2018 verstarb der Vermieter. Erben des Vermieters waren der Zeuge A. B. und Frau I. D.. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.06.2018 (Anlage K 2, I, 21) kündigte die Erbengemeinschaft das Mietverhältnis. Sie sprachen zum einen eine fristlose Kündigung aus, weil der Beklagte mit den Mietzahlungen für Mai und Juni 2018 im Rückstand sei; hilfsweise erklärte die Erbengemeinschaft eine ordentliche Kündigung zum 31.12.2018 unter Hinweis darauf, dass vertraglich eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vereinbart sei.
Der Kläger erwarb im Jahr 2018 das Anwesen S. 3 in B. von der Erbengemeinschaft. Zum 01.08.2018 trat der Kläger als neuer Eigentümer in das Mietverhältnis auf Vermieterseite ein. Im Schriftsatz vom 31.01.2019 (I, 37 ff.) sprach der Kläger gegenüber dem Beklagten eine neue fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges aus. Die neue fristlose Kündigung werde durch Zahlungsrückstände in der Zeit zwischen August 2018 und Januar 2019 gerechtfertigt.
Im Verfahren vor dem Landgericht hat der Kläger von dem Beklagten Räumung und Herausgabe der vermieteten Gewerberäume verlangt, gestützt auf die beiden Kündigungen vom 13.06.2018 und vom 31.01.2019. Der Beklagte sei sowohl aufgrund der beiden fristlosen Kündigungen wegen Zahlungsverzuges zur Räumung verpflichtet, als auch aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 13.06.2018.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zu einer ordentlichen Kündigung seien die Rechtsvorgänger des Klägers nicht berechtigt gewesen, da vertraglich eine Mietlaufzeit von fünf Jahren vereinbart worden sei. Mietrückstände habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben, da der Beklagte zur Mietminderung berechtigt gewesen sei. Es habe einen erheblichen Kakerlakenbefall in dem Ladengeschäft gegeben. Außerdem habe der Beklagte, bzw. die für ihn handelnde Zeugin N., schon während der ...