Leitsatz (amtlich)
Die Leistungspflicht des Krankenversicherers setzt stets einen entsprechenden Vergütungsanspruch des liquidierenden Arztes voraus; ist im Tarif eine Beschränkung auf Leistungen nach der GOÄ vereinbart, sind zusätzliche Kosten, die der Arzt nicht nach GOÄ berechnen kann, von der Erstattungspflicht des Krankenversicherers ausgeschlossen.
Normenkette
GOÄ § 4 Abs. 1; MB/KK 94
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 22.12.2005; Aktenzeichen 8 O 850/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagen wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 22.12.2005 - 8 O 850/04 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt die Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit der Durchführung und Überwachung von Heimdialysebehandlungen.
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Dem Vertrag zugrunde liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten, bestehend aus den MB/KK 94 in Verbindung mit den Tarifbedingungen für die Krankheitskostenversicherung. Für die ambulante Heilbehandlung wurde der Tarif 8130 (Tarif 81) mit einer Erstattungssatz von 30 % vereinbart, der u.a. bestimmt:
2. Tarif 8130 für ambulante Heilbehandlung
2.1 Tarifliche Leistungszusage
Nachstehende Aufwendungen werden mit den tariflichen Sätzen erstattet:
Ärztliche Leistungen einschließlich Vorsorgeuntersuchungen
bis zu den Höchstsätzen der GOÄ [...]
Dialyse [...]
Transportkosten bei Dialyse ...
2.2 Erstattungsprozentsätze
Die Aufwendungen für ambulante Heilbehandlung werden bis zu den Höchstsätzen der GOÄ mit den nachstehenden Prozentsätzen erstattet: [...]
Tarif 8130 - 30 %
Der Kläger ist aufgrund einer Nierenerkrankung seit vielen Jahren dialysepflichtig. Seit dem Jahr 1993 führt er die Dialysebehandlung als Heimdialyse mit Hilfe seiner Ehefrau durch, die ausgebildete Dialysefachkraft ist. Zwischen dem Hausarzt und der Ehefrau des Klägers besteht seit dem 2.11.2000 eine Vereinbarung, der zufolge die Ehefrau im Auftrag des Arztes eigenverantwortlich und freiberuflich, hinsichtlich der Häufigkeit aber nach ärztlicher Anordnung, die Behandlungspflege durchführt. Während der Dialysebehandlung ist der Arzt stets telefonisch erreichbar.
Die Tätigkeit der Ehefrau wird durch den Hausarzt mit 143,16 EUR je Dialyse vergütet. Diesen Betrag stellt der Arzt dem Kläger in Rechnung; hinzukommen ein ärztliches Honorar (31,71 EUR) sowie Sachkosten (174,35 EUR). Die beklagte Versicherung legt ihrer Erstattung Honorar und Sachkosten zugrunde (206,06 EUR) und zahlt außerdem eine Pauschale von 15,33 EUR je Dialyse. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte auch 30 % der zwischen dem Hausarzt und seiner Ehefrau vereinbarten Vergütung, d.h. 42,95 EUR je Dialysebehandlung, erstatten müsse, weshalb sich - abzgl. der Pauschale von 15,33 EUR - ein Fehlbetrag von 27,62 EUR ergebe. Diesen Fehlbetrag macht der Kläger für insgesamt 345 Dialysebehandlungen zwischen Januar 2002 und August 2003 geltend.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.528,90 EUR nebst Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.
Nach der vertraglichen Leistungsbeschreibung sei die Beklagte verpflichtet, die Kosten der Heimdialysebehandlung zu erstatten; hierzu gehörten auch diejenigen Kosten, die dem behandelnden Arzt durch den Einsatz einer Dialysefachkraft entstünden. Bei der Dialyse handele es sich um eine ärztliche Heilbehandlung, jedenfalls aber um eine sonst vereinbarte Leistung i.S.v. § 1a MB/KK, § 2.1 Tarif 81, wobei der Begriff Dialyse gleichermaßen die Zentrums-, Praxis- und Heimdialyse bezeichne. Da § 2.3. des Tarifs 81 für die in der tariflichen Leistungszusage (§ 2.1 Tarif 81) ausdrücklich genannte Dialyse keine Einschränkung vorsehe, müsse die Beklagte alle hierfür notwendigen Kosten nach den tariflichen Prozentsätzen erstatten. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne das Klauselwerk der Beklagten nicht anders verstehen, zumal sonst der Vertragszweck gefährdet wäre. Der Versicherte könne die Heimdialyse aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr wählen, wenn ein maßgeblicher Teil der Kosten, nämlich die Personalkosten des Arztes für eine Dialysehilfskraft, nicht erstattungsfähig seinen. Unabhängig davon sei die Beklagte jedenfalls nach § 242 BGB einstandspflichtig, weil die Kosten der Heimdialyse günstiger seien als die von der Beklagten bedingungsgemäß zu erstattenden Kosten einer Zentrums- oder Praxisdialyse.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage. Das LG habe verkannt, dass die Versicherung ärztliche Leistungen nur erstatten müsse, soweit der Versicherte diese nach den Bestimmungen der GOÄ tatsächlich schulde. Gemäß GOÄ aber könne der Hausarzt dem Kläger die an seine Ehefrau gezahlte Vergütung nicht in Rechnung stellen, was eine E...