Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung, Arzt, Versicherungsnehmer, Leistungen, Heilbehandlung, Gemeinschaftspraxis, Krankenhaus, Kostenerstattung, Berufung, Versicherungsbedingungen, Krankheit, Eingliederung, Aufwendungen, Zustellung, Allgemeine Versicherungsbedingungen, chirurgischer Eingriff, medizinisch notwendige Heilbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Eine mehrmals pro Woche in einer Praxis niedergelassener Ärzte durchgeführte Dialysebehandlung stellt weder eine "ambulante Operation" noch eine "stationäre Heilbehandlung" im Sinne der maßgeblichen Tarifbedingungen einer privaten Krankenversicherung dar. Die mit einer solchen Dialysebehandlung verbundenen Transportkosten des Versicherungsnehmers sind im Rahmen dieser Tarifbedingungen daher nicht erstattungsfähig.
Normenkette
BGB §§ 305c, 307; GOÄ §§ 8-9
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 17.12.2020; Aktenzeichen 8 O 2040/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Dezember 2020, Az. 8 O 2040/20, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.033,58 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Rechtsstreit betrifft seitens der Klägerin geltend gemachte Kostenerstattungsansprüche im Zusammenhang mit einer mit der Beklagten vereinbarten Krankenversicherung.
Die schwer erkrankte Klägerin ist seit dem 1. Juni 1999 unter der Versicherungsnummer ... privat bei der Beklagten krankenversichert.
Ziffer 1.1 e) der zwischen den Parteien vereinbarten Tarifbedingungen ... lautet: "Erstattungsfähig sind bei ambulanter Heilbehandlung ... Aufwendungen für medizinisch notwendigen Transport im unmittelbaren Zusammenhang mit einer ambulanten Operation ...".
Ziffer 1.2. f) dieser Tarifbedingungen lautet: "Erstattungsfähig sind bei stationärer Heilbehandlung ... Aufwendungen für medizinisch notwendigen Transport zum und vom Krankenhaus ...".
Im vertraglich vereinbarten Teil II § 5 zu § 4 (3) RB/KK 2008 ist Folgendes geregelt: "Als Heilmittel gelten die im Gebührenverzeichnis der geltenden Gebührenordnung für Ärzte unter Abschnitt E Physikalischmedizinische Leistungen aufgeführten Leistungen ..." (wegen des Inhalts der vereinbarten Tarifbedingungen und der in den Vertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen wird im Übrigen auf die Anlagen K 1 bis K 3 Bezug genommen).
Wegen ihrer Niereninsuffizienz wird die Klägerin dreimal wöchentlich in einer etwa 3,5 km von ihrem Wohnort entfernten Dialysepraxis behandelt (auf die Bescheinigung der nephrologischen Gemeinschaftspraxis vom 20. Mai 2019, Anlage K 5, wird insoweit Bezug genommen). Aufgrund ihres Gesundheitszustands musste die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Februar 2019 bis 29. November 2019) zur Dialysebehandlung transportiert werden; die nephrologische Behandlungspraxis stellte ihr für die Tage, an denen sie dort dialysiert wurde, Dauertransportscheine aus (Anlagen K 7.1, K 9, K 11, K 13, K 15, K 17, K 20, K 22). Die Klägerin wurde zu den Dialyseterminen durch die Personenbeförderung ... gefahren; für den streitgegenständlichen Zeitraum wurde der Klägerin für die jeweiligen Fahrten ein Betrag in Höhe von 4.278,08 EUR in Rechnung gestellt (Anlagen K 8, K 10, K 12, K 14, K 16, K 19, K 21, K 23).
Die Klägerin erhielt zudem im Zeitraum vom 4. Februar 2019 bis zum 11. November 2019 zu Hause physiotherapeutische Behandlungen; hierauf bezogen stellte die Therapiepraxis ... der Klägerin neben den nicht entscheidungserheblichen Kosten für die jeweilige Krankengymnastik auch weitere Kosten für den jeweiligen Hausbesuch und ein jeweiliges Wegegeld in Höhe von insgesamt 755,50 EUR in Rechnung (Anlagen K 28 ff.).
Die Klägerin hat in der ersten Instanz insbesondere die Auffassung vertreten, die Transportkosten zur Dialyse seien gem. § 83 VVG als sogenannte Rettungskosten zu erstatten. Eine Erstattungspflicht ergebe sich aus den Nrn. 1.1 e) und 1.2 f) der vereinbarten Tarifbedingungen ... Ein anderes Vertragsverständnis würde das vertragliche Leistungsversprechen aushöhlen. Bei den Kosten für die Hausbesuche des Physiotherapeuten handle es sich um erstattungsfähige Kosten des Heilmittels.
Die Klägerin hat in der ersten Instanz beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.033,58 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 3.026,68 EUR seit 1.09.2019 und aus weiteren 2.007,30 EUR seit Zustellung der Klageschrift zu bezahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 431,64 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.
Die Beklagte hat in der ersten Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in der ersten Instanz die Auffassung vertreten, bei den gegenständlichen Transportkosten handle es sich nicht um Kosten der Heilbehandlung. Die Fahrten hätten zudem ambulante Behandlungen betroffen und seien daher nach den vertraglichen Tarifbedingungen...