Leitsatz (amtlich)
War ein der regelmäßigen Verjährung unterfallender Anspruch am 1.1.2002 noch nicht verjährt, hatte der Gläubiger aber bereits zuvor Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, so beginnt die kürzere Frist des § 195 BGB nicht erst mit Ablauf des 31.12.2002, sondern schon am 1.1.2002.
Normenkette
BGB §§ 195, § 199 ff.; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatz von Aufwendungen für Pflegeleistungen, die in der Zeit von September 1998 bis März 2000 sowie von September bis Dezember 2001 an eine Versicherungsnehmerin der Beklagten erbracht wurden. Der Anspruch i.H.v. 7.469,97 EUR wurde durch beim Mahngericht am 23.12.2005 eingegangenen Mahnbescheidsantrag geltend gemacht. Die Klägerin hatte vor dem 1.1.2002 Kenntnis von den (nach ihrer Auffassung) anspruchsbegründenden Umständen sowie davon, dass die Pflegebedürftige, an die sie die Pflegeleistungen erbracht hatte, bei der Beklagten privat pflegeversichert war. Die Beklagte hat sich u.a. auf Verjährung berufen. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das LG etwaige Ansprüche der Klägerin als verjährt angesehen. Die Frage, ob die Klägerin Vergütung für die von ihr erbrachten Pflegeleistungen unmittelbar von der Beklagten verlangen kann, bedarf daher keiner Entscheidung. Ferner kann offen bleiben, ob die Forderung schon nach der kurzen Verjährungsfrist des § 196 BGB a.F. i.V.m. § 201 S. 1 BGB a.F. und Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB (Verjährung dann spätestens 31.12.2003) verjährt ist. Zutreffend hat das LG ausgeführt, dass auch nach der regelmäßigen Verjährung gem. § 195 BGB a.F., § 195 BGB n.F., Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB ein etwaiger Anspruch verjährt ist.
1. Die Verjährung ist mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts mit Wirkung vom 1.1.2002 neu geregelt worden, wobei die regelmäßige Verjährungsfrist nunmehr lediglich drei Jahre beträgt. Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB n.F. jedoch erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach den Überleitungsvorschriften in Art. 229 § 6 EGBGB findet das neue Verjährungsrecht auch auf am 1.1.2002 noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung (Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB), wobei sich der Beginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem 1.1.2002 nach dem BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung richtet. Ferner sieht Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB vor, dass eine nach dem Fristenvergleich nach neuem Recht kürzere Verjährungsfrist von dem 1.1.2002 an berechnet wird. Ganz überwiegend wird hierzu die Meinung vertreten, dass zur Bestimmung des Fristbeginns die Vorschrift des § 199 Abs. 1 BGB n.F. hinzuzuziehen sei (vgl. OLG Karlsruhe v. 18.7.2006 - 17 U 320/05, OLGReport Karlsruhe 2006, 755 = ZIP 2006, 1855 f. und die dort aufgeführten Nachweise, auch zur Gegenansicht). Dieser überwiegenden Auffassung schließt sich der Senat aus den im zitierten Urteil genannten Gründen an.
2. Der daraus von der Klägerin gezogenen Schlussfolgerung, dass die Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. erst ab dem Ablauf des 31.12.2002 zu berechnen sei, vermag der Senat indessen nicht beizutreten. Die eindeutige Formulierung des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB
"... so wird die kürzere Frist von dem 1.1.2002 an berechnet"
stellt klar, dass die kürzere regelmäßige Verjährungsfrist nach neuem Recht am 1.1.2002 beginnen soll. Die Berechnung einer Frist ab einem bestimmten Stichtag bedeutet, dass diese Frist ab dem Stichtag zahlenmäßig anzuwenden ist (OLG Jena OLG-NL 2006, 82 f. [zitiert nach juris-Datenbank]; Schulte-Nölke/Hawxwell, NJW 2005, 2117, 2118; Heinrichs in: Palandt, BGB, 66. Aufl., EGBGB § 6 Rz. 1, 6). Nur wenn die Voraussetzungen des Verjährungsbeginns nach neuem Recht, nämlich Anspruchsentstehung sowie Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Anspruchsvoraussetzungen und des Schuldners, am Stichtag nicht gegeben sind, verschiebt sich der Fristbeginn entsprechend der Ultimo-Regel des § 199 Abs. 1 BGB n.F. auf das Jahresende.
Die hiergegen von der Klägerin geltend gemachten Bedenken greifen nicht durch. Insbesondere bestehen gegen die dargestellte Anwendung des neuen Verjährungsrechts weder unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes (Art. 14 GG) noch der Gleichbehandlung noch des Rückwirkungsverbots verfassungsrechtliche Bedenken. Die regelmäßige Verjährung nach neuem Recht (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB n.F.) beruht auf dem Gedanken, dass für einen Gläubiger, der sowohl von seinem Anspruch als auch von der Person des Schuldners Kenntnis hat (oder hierüber grob fahrlässig in Unkenntnis ist), ein Zeitraum von drei Jahren zur verjährungshemmenden Geltendmachung ausreichend ist (ebenso Schulte-Nölke/Hawxwell, NJW 2005, 2117, 2118). Der Gesetzgeber hat also keinen Bedarf für die extrem lange Verjährung des § 195 BGB a.F. gesehen, wenn beim Gläubiger die ...