Verfahrensgang

LG Offenburg (Entscheidung vom 21.03.1989; Aktenzeichen 3 O 366/86)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 21.03.1989 in Ziff. 2 wie folgt geändert und neugefaßt:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und weiteren immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 19.05.1985 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des ersten Rechtszugs einschließlich der Kosten der Nebenintervention. Der Kläger trägt 1/3 der Kosten des Rechtsstreits im Berufungsverfahren, die Beklagte 2/3 sowie die gesamten Kosten der Nebenintervention im Berufungsverfahren.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beklagte ist mit 40 000,00 DM beschwert.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte als Betreiberin des städtischen Schwimmbads auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

Der Streithelfer veranstaltete am 18./19.05.1985 im städtischen Schwimmbad (Terrassenbad) das "9. Internationale Freiwassereröffnungsschwimmen"; hierzu hatte ihm die Beklagte das Terrassenbad zur Verfügung gestellt (I 281). An dieser Veranstaltung nahm auch die Schwimmabteilung des Turnvereins M teil, deren Mitglied der am 29.01.1969 geborene Kläger ist.

Im Terrassenbad befindet sich auch eine in das Nichtschwimmerbecken führende Wasserrutschbahn (I 15/17). Diese war am 07.07.1984 "eingeweiht" worden. Die Prüfung durch den TÜV Stuttgart fand am 10.07.1984 statt (I 117); unter Nr. 5.1 des Prüfberichts heißt es:

"Das noch zu befestigende Schild (Benutzungsart) ist hinsichtlich Darstellung "liegend" richtig zu stellen."

Nach Nr. 5.8 der DIN 7937 in der damals geltenden Fassung ist im Endpodest oder Einsitzbereich der Wasserrutschen die bestimmungsgemäße Benutzungsart "sitzend vorwärts" durch eine dauerhafte bildliche Darstellung anzuzeigen (I 19 ff, 27). Am Unfalltag war das aus der Kopie I 31 ersichtliche Schild mit dem Hinweis "Nur sitzend und liegend rutschen!" angebracht. Nach der Neufassung der DIN 7937 vom August 1987 (Anlagenheft) ist bei Wasserrutschen ein Schild anzubringen, auf dem die bestimmungsgemäße Benutzungsart "sitzend oder liegend mit Blick nach vorne" sowie der Hinweis aufgeführt werden muß "Vom Rutschenauslauf sofort wegtreten".

In einer Wettkampfpause am 19.05.1985 gegen 12.30 Uhr benutzte der Kläger die Wasserrutschbahn, und zwar bäuchlings mit dem Kopf voraus, wie dies auch die Mehrzahl der anderen Benutzer tat. Beim Eintauchen ins Wasser zog er sich schwere Verletzungen zu. Er blieb bewegungsunfähig im Wasser liegen und wurde von einem Vereinskameraden, dem Zeugen Marco Sch aus dem Wasser gezogen. Wie es zu den Verletzungen kam, konnte im einzelnen nicht geklärt werden und ist zwischen den Parteien streitig.

Durch den herbeigerufenen Notarzt wurde die sofortige Einlieferung mit Rettungshubschrauber in die Chirurgische Universitätsklinik Freiburg veranlaßt. Dort wurde der Kläger an der Wirbelsäule operiert; es wurde eine Subluxation in Höhe des 4. und 5. Halswirbels und eine Kompressionsfraktur des 6. Halswirbels festgestellt. 4. und 5. Halswirbel wurden mit einer Osteosyntheseplatte und vier Schrauben fixiert. Wegen der Einzelheiten des Verletzungsbilds und der durchgeführten Maßnahmen wird auf die Atteste der Universitätsklinik Freiburg vom 22. und 29.05.1985 (I 39, 33), vom 19.06.1985 (II 251) und vom 28.01.1986 (I 51) Bezug genommen.

Am 29.05.1985 wurde der Kläger zur weiteren Behandlung in das Krankenhaus Rottenmünster verlegt, wo er sich bis zum 24.06.1985 aufhielt (Attest I 41). Vom 22.07. bis 19.08.1985 befand er sich im Rehabilitationskrankenhaus Gailingen (Attest I 45). Durch Bescheid des Versorgungsamts Rottweil vom 18.02.1986 wurde wegen eines inkompletten Querschnittssyndroms ab C5 mit muskulärer Schwäche des linken Armes nach Subluxation Halswirbelkörper 4/5 und Kompressionsfraktur Halswirbelkörper 6 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % anerkannt (I 53).

Der Kläger hat geltend gemacht, die Wasserrutschbahn habe nicht allen sicherheitstechnischen Anforderungen genügt. Die Wassertiefe im Auslaufbereich sei zu gering gewesen. Das angebrachte Schild sei unzutreffend bzw. irreführend gewesen.

Die Benutzungsart "bäuchlings" sei nach der damaligen DIN-Vorschrift unzulässig gewesen. Dennoch habe die Beklagte dies und das Rutschen in zu geringen Abständen geduldet. Teilweise sei sogar in Ketten gerutscht worden, auch sei es vorgekommen, daß auf dem Rücken eines Kindes ein anderes Kind gesessen sei. Zu den Verletzungen sei es entweder durch den Aufprall auf der Wasseroberfläche oder durch eine Berührung mit dem Beckenboden oder die Berührung mit einer dritten Person gekommen. Die Beklagte habe ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 30 000,00 DM zu zahlen und den materiell...

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