Leitsatz (amtlich)
1. Bei den vorliegenden (allgemeinen) Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen, wonach die Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden verjähren, kann der Verkäufer es einem Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag entgegenhalten, wenn der Rücktritt erst nach der mit Ablauf der genannten Frist eingetretenen Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs erklärt worden ist.
2. Zur Darlegung einer vom Fahrzeughersteller begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) bei der Verwendung eines Emissionskontrollsystems, dessen Steuerung ein sog. "Thermofenster" zur temperaturabhängigen Reduktion der Abgasrückführung, eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung und eine AdBlue-Dosierung des SCR-Systems umfasst, die in Abhängigkeit von einer ausgestoßenen Stickoxidmenge von einem am Füllstand orientierten Berechnungsmodus zu einer "Online"-Berechnung wechselt.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 8. Januar 2021, Az. 9 O 181/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung fallen dem Kläger zur Last.
3. Dieses Urteil und das zu 1. bezeichnete Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die zu 1 beklagte Verkäuferin und die zu 2 beklagte Herstellerin seines Fahrzeugs wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung auf Erstattung von Kaufpreis- und Darlehenszahlungen bzw. Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger kaufte am 10. Juli 2018 bei der Beklagten zu 1 ein durch die Beklagte zu 2 hergestelltes Fahrzeug vom Typ X1, Norm Euro 6, Baujahr und Erstzulassung 2015, mit einer Laufleistung von 76.605 km zu einem Kaufpreis von 30.000 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe Y1 ausgestattet. Die Kaufvertragsurkunde liegt als Anlage K 1 vor. Die darin in Bezug genommenen "AGB's", nämlich die "Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen", wegen deren gesamten Inhalts auf die Anlage B 1 Bezug genommen wird, enthalten folgende Klausel:
"Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden."
Der Kläger zahlte an die Beklagte zu 1 am 12. Juli 2018 aus eigenen Mitteln einen Betrag von 14.000 EUR und den übrigen Kaufpreis finanziert durch ein Darlehen bei der X Bank (im Folgenden: X) mit einer Darlehenssumme von 17.551,80 EUR (16.300 EUR Nettodarlehensbetrag zuzüglich 1.251,80 EUR Zinsen). Das Fahrzeug wurde auflösend bedingt durch die Begleichung des Gesamtdarlehensbetrags an X sicherungsübereignet. Die Darlehensbedingungen (Anlage K 2) enthalten unter II. folgende Klausel:
"3. Abtretung von sonstigen Ansprüchen
Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an den Darlehensgeber ab, die diese Abtretung annimmt:
[...]
- gegen den Verkäufer für den Fall einer Rückgängigmachung des finanzierten Vertrages oder Herabsetzung der Vergütung.
- gegen die [...] [die Beklagte zu 2], [...], [...] oder einen Vertreter der [Beklagten zu 2], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die [Beklagte zu 2] oder einen Vertreter der [Beklagten zu 2]. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen."
Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 18. Juli 2018 übergeben.
Kurz vor Einreichung der Klageschrift betrug die Laufleistung des Fahrzeugs 100.611 km.
Das Kraftfahrt-Bundesamt erteilte für diesen Fahrzeugtyp eine Typgenehmigung mit der Schadstoffklasse Euro 6 nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29. Juni 2007, S. 1 ff; nachfolgend VO 715/2007/EG).
Die Beklagte zu 2 bewarb die verbaute B-Technologie exemplarisch u.a. wie in der Klageschrift (dort auf S. 61 f) wiedergegeben.
In die Brennkammer des Motors des hier gegenständlichen Fahrzeugtyps kann Abgas zurückgeführt werden, was geeignet ist, die Verbrennungstemperatur in einen Temperaturbereich zu reduzieren, in welchem weniger NOx-Partikel entstehen. Das hier gegenständliche Fahrzeug verfügt außerdem über einen SCR (selective catalytic reduction)-Katalysator der "[B]-Technologie", in dem nicht rückgeführtem Abgas eine Harnstofflösung ("AdBlue") zugeführt wird, was nach deren Umwandlung in Ammoniak zu chemischen Reaktionen führt, durch die sich letztlich die Menge der Stickoxide im Abgas reduziert.
Die Motorsteuerungssoftware im hier gegenständlichen Fahrzeug bedingt, dass die Abgasreinigungsleistung mittels temperaturgesteuerter Abgasrückführung außerhalb von Umgebungstemperaturen von 20 °C bis 30 °C, nämlich bereits bei einstelligen positiven Temperaturen re...