Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt: Begrenzung bei ehebedingten Nachteilen
Leitsatz (amtlich)
Bei Feststellung dauerhafter ehebedingter Nachteile kommt eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs regelmäßig nicht in Betracht.
Berufliche Nachteile wegen der Betreuung eines vor der Eheschließung geborenen gemeinsamen Kindes während der Ehe sind durch die Ehe bedingt. § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB unterscheidet den dort definierten Nachteil aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nicht danach, ob das gemeinschaftliche Kind aus der Ehe hervorgegangen ist oder nicht. Der "Nachteil" i.S.v. § § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB ist nicht die voreheliche Geburt des Kindes, sondern die hieraus entstandene Rollenverteilung in der Ehe und die aus dieser Rollenverteilung resultierenden Erwerbsnachteile des betreuenden Elternteils.
Normenkette
BGB § 1578b Abs. 1 S. 3, Abs. 2
Verfahrensgang
AG Lörrach (Urteil vom 21.01.2009; Aktenzeichen 11 F 433/06) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Antragsgegners werden Ziff. 3 und 4 des Urteils des AG - Familiengericht - Lörrach vom 21.1.2009 - 11 F 433/06 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin ab Oktober 2010 nachehelichen Unterhalt i.H.v. 185 EUR Elementarunterhalt zzgl. 47 EUR Altersvorsorgeunterhalt monatlich im Voraus, die Rückstände sofort, zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Antragsgegner kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Hinsichtlich der Frage der Herabsetzung/Begrenzung gem. § 1578b BGB wird die Revision zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
Die Parteien haben am ... 1993 geheiratet. Sie leben seit Mai 2005 getrennt. Im vorliegenden Verfahren wurde die Ehe der Parteien auf den am 10.6.2006 zugestellten Scheidungsantrag durch Verbundurteil vom 21.1.2009 geschieden (Ziff. 1). Der Ehescheidungsausspruch ist seit dem 5.5.2009 rechtskräftig.
Aus der Ehe ist der Sohn C, geboren ... 1991, hervorgegangen. Er lebt bei der Antragstellerin. Im September 2009 nahm er eine Ausbildung auf. Seither ist er nicht mehr unterhaltsbedürftig. Bis August 2009 hat der Antragsgegner Kindesunterhalt i.H.v. 297 EUR monatlich bezahlt.
Die Antragstellerin begehrt nachehelichen Unterhalt.
Die am ... 1959 geborene Antragstellerin hat eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Betriebs- und Verkehrsdienst bei der Reichsbahn absolviert. In diesem Beruf war sie bis zur Schwangerschaft mit dem Sohn C. erwerbstätig. Da sich diese im Schichtdienst organisierte Tätigkeit mit der Kinderbetreuung nicht vereinbaren ließ, beendete die Antragstellerin ihre Erwerbstätigkeit und war anschließend zunächst arbeitslos. 1995 bis 1997 absolvierte sie eine Umschulung zur Familienpflegerin. Anschließend war sie in G. und nach dem Umzug der Parteien 2001 nach L. verschiedentlich als Pflegehelferin erwerbstätig. Zu keinem Zeitpunkt erreichte sie hierbei das früher als Bahnfacharbeiterin erzielte Einkommen. Eine Rückkehr in den früheren Beruf ist inzwischen nicht mehr möglich.
Im Sommer 2007 wurde bei der Antragsgegnerin eine Epilepsie diagnostiziert, in deren Folge die Antragstellerin arbeitsunfähig krankgeschrieben wurde. Nach Abklingen der Symptome auf Grund medizinischer Behandlung war die Antragstellerin ab September 2008 wieder stundenweise arbeitsfähig. Seither bemühte sie sich, eine neue Arbeitsstelle zu finden, die im Rahmen der gesundheitlichen Situation möglich war. Vom 18. - 29.5.2009 absolvierte sie eine Erprobung im Pflegedienst, und seit dem 18.6.2009 ist sie im Umfang von 78 % als Pflegehelferin erwerbstätig. Sie ist abwechselnd zwei Wochen bundesweit als Springerin im Pflegedienst tätig und hat dann zwei Wochen frei. Die Parteien streiten, ob die Antragstellerin mit dieser Tätigkeit ihre Erwerbsobliegenheit erfüllt.
Der Antragsgegner ist Lehr-Lokführer. Er ist bei der E. GmbH seit August 2008 angestellt. Zuvor war er bei der A. GmbH angestellt. Beide Gesellschaften haben ihren Geschäftssitz unter der selben Adresse. Beide Gesellschaften haben den gleichen Geschäftsführer, der im Übrigen auch der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners ist. Bei der Firma A. erzielte der Antragsgegner - anders als bei der Firma E. - ein 13. Jahresgehalt und dadurch insgesamt ein höheres Einkommen. Die Parteien streiten, ob der Antragsgegner durch den Wechsel zur Firma E. gegen seine Erwerbsobliegenheit verstoßen hat.
Die Antragstellerin behauptet, aus gesundheitlichen Gründen könne sie nicht in weitergehendem Umfang erwerbstätig sein. Sie habe sich umfangreich und ausreichend um eine angemessene Erwerbs...