Leitsatz (amtlich)
Eine wirksame Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG setzt voraus, dass diese in unmittelbarer Nähe zu den gestellten Gesundheitsfragen erfolgt und dabei in einer Art und Weise drucktechnisch hervorgehoben ist, dass sie vom Versicherungsnehmer schlechterdings nicht übersehen werden kann.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 18.03.2015; Aktenzeichen 5 O 92/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Mannheim vom 18.03.2015 - 5 O 92/14 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die private Krankenversicherung der Klägerin bei der Beklagten mit der Versicherungs-Nr ... nicht durch die Rücktritts- und Kündigungserklärung der Beklagten vom 14.10.2013 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieser Entscheidung vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung des Fortbestehens eines privaten Krankenversicherungsvertrags.
Am 10.08.2012 beantragte die Klägerin - die zuvor anderweitig privat krankenversichert war - bei der Beklagten den Abschluss eines Krankenversicherungsvertrags. Der Antrag wurde dabei von Herrn H M, der Versicherungsagent der Beklagten war, ausgefüllt.
Der Antrag enthielt unter Ziffer 3 der Erklärung über die Gesundheitsverhältnisse der zu versichernden Person die folgende Gesundheitsfrage:
"Fanden in den letzten 3 Jahren ambulante Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen durch einen Behandler (Ärzte, Heilpraktiker, Psychologen) statt?"
Die Antwort wurde wie folgt aufgenommen:
"[] Nein
[X] Ja
Grund?
Erkältung
Befund?
Ohne
Dauer, vorbei?
Durch wen?
Hausarzt
Ausgeheilt:
[] Nein
[X] Ja"
Die Klägerin unterzeichnete den Versicherungsantrag.
Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 15.08.2012 den Abschluss der Krankenversicherung und stellte einen Versicherungsschein aus. In diesem ist als Versicherungsbeginn der 01.11.2012 aufgeführt. Am 13.02.2013 stellte die Beklagte einen Versicherungsschein aus, der hiervon abweichend einen Versicherungsbeginn zum 01.03.2013 und geringere Prämienzahlungen ausweist.
Mit Schreiben vom 14.10.2013 erklärte die Beklagte gemäß § 19 Abs. 2 VVG den Rücktritt vom Versicherungsvertrag, hilfsweise die Kündigung desselben. Die Beklagte begründete dies damit, dass die Klägerin wichtige gefahrerhebliche Umstände im Versicherungsantrag verschwiegen habe, nämlich Behandlungen wegen einer Steatosis hepatis (Fettleber) und einer Kalkschulter links. Trotz dieser Erklärung wurden vom Konto der Klägerin noch drei weitere Prämienzahlungen abgebucht.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, Rücktritt und Kündigung seien nicht wirksam. Sie habe bei der Antragstellung keine Gelegenheit gehabt, das ausgefüllte Formular vollständig zu lesen. Sie hat zunächst vorgetragen, die Fettleber sei am 28.06.2011 bei einer Routineuntersuchung diagnostiziert worden. Dabei handele es sich um eine häufige Erkrankung der Leber mit in der Regel reversibler Einlagerung von Fett, die keine Gefahrneigung aufweise und als reine Bagatellerkrankung einzustufen sei. Weitere Behandlungen hätten dementsprechend auch nicht stattgefunden. Den Vortrag zur Fettleber hat sie dann im weiteren Verlauf unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme ihres Hausarztes vom 28.11.2014 dahingehend korrigiert, dass zu keinem Zeitpunkt ein Befund von Krankheitswert erhoben worden sei. Die Kalkschulter sei erstmals am 17.10.2012 und damit nach dem Versicherungsantrag diagnostiziert worden.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass die private Krankenversicherung der Klägerin bei der Beklagten mit der Versicherungs-Nr ... nicht durch den Rücktritt der Beklagten vom 14.10.2013 beendet worden ist, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe ihre Anzeigepflicht vorsätzlich verletzt. Sie sei bereits vorvertraglich wegen der genannten Erkrankungen in ärztlicher Behandlung gewesen. Die Schmerzen in der linken Schulter seien im Juli 2012 und damit in engem zeitlichen Zusammenhang zur Antragstellung besonders stark gewesen, weswegen sie einen Arzt aufgesucht habe. Bei Kenntnis dieser Erkrankungen beziehungsweise Beschwerden hätte die Beklagte den Versicherungsantrag nicht angenommen. Herr M habe der Klägerin die Antragsfragen einzeln und nacheinander vorgelesen und die Antworten der Klägerin aufgenommen. Die Klägerin habe vor der Unterschriftsleistung ausreichend Gelegenheit gehabt, das ausgefüllte Antragsformular durchzulesen.
Mit Urteil vom 18.03.2015 hat das LG Mannheim die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es au...