Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem zur späteren Tilgung eines Verbraucherdarlehens geschlossenen Bausparvertrag, von dessen Abschluss der Darlehensvertrag ausdrücklich abhängig gemacht wurde, handelt es sich um keinen verbundenen Vertrag im Sinne von § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB, sondern um einen Vertrag über eine Zusatzleistung im Sinne von § 359a Abs. 1 BGB in der vom 4. August 2011 bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung.
2. Eine Widerrufsinformation genügt deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine klare und verständliche Belehrung über das Widerrufsrecht des Darlehensnehmers (§ 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB iVm Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB aF), wenn sie den Darlehensnehmer dahingehend belehrt, er sei mit dem wirksamen Widerruf des Bausparvertrages als verbundenem Vertrag nicht mehr an den Darlehensvertrag gebunden. Der Widerruf des Bausparvertrages führt - anders als die Belehrung angibt - nicht dazu, dass die Bindung an den Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § 358 Abs. 1 BGB aF entfällt. Denn § 358 Abs. 1 BGB aF ist auf Verträge über zusätzliche Leistungen nicht entsprechend anwendbar.
3. Die Anwendbarkeit des § 358 Abs. 1 BGB aF folgt nicht aus der Vorschrift über angegebene Verträge des § 359a Abs. 1 BGB aF. Bei dem zu Tilgungszwecken aufgenommenen Bausparvertrag handelt es sich um keinen Vertrag über eine angegebene Leistung im Sinne von § 359a Abs. 1 BGB aF (so aber OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2021 - 6 U 443/20 -, Rn. 24, juris und OLG Köln, Beschluss vom 27. März 2017 - 13 U 289/16 -, Rn. 8, juris). Denn die Vorschrift, durch die Art. 15 Abs. 1 und Art. 3 lit. n i) und ii) der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG in nationales Recht umgesetzt worden sind, setzt voraus, dass das angegebene Geschäft durch das Darlehen finanziert worden ist.
4. Die fehlerhafte Belehrung ist nicht unschädlich, weil die Bank den Schutzkreis des Darlehensnehmers kraft vertraglicher Vereinbarung lediglich erweitert hätte. In der Belehrung kann weder ein rechtsgeschäftliches Angebot der Bank für eine Einigung über von den gesetzlichen Regelungen abweichende Rechtsfolgen erkannt werden noch wären die vereinbarten Rechtsfolgen für den Darlehensnehmer - wie erforderlich (siehe heute § 361 Abs. 2 Satz 1 BGB) - nur günstig.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. November 2021 - 5 O 135/21 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt aufgehoben sowie im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.213,31 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 15. Januar 2020 bis zum 23. Juni 2021 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Juni 2021 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger - ein Verbraucher - nimmt die beklagte S. nach Widerruf eines Darlehensvertrages auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch.
Die Parteien schlossen am 5. Januar 2012 zur Finanzierung einer privat genutzten Immobilie einen Darlehensvertrag über ein endfälliges, grundpfandrechtlich gesichertes Zinszahlungsdarlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 250.000 EUR zu einem Sollzins von anfänglich 3,79 % p.a. und einem effektiven Jahreszins von 3,89 % (Anlage K 1). Voraussetzung für den Abschluss des Darlehensvertrages war der Abschluss einer Lebensversicherung oder eines Bausparvertrages. Die hierauf geleisteten Zahlungen und die hieraus erworbenen Ansprüche sollten der Tilgung des Darlehens dienen (Ziff. 1).
Bis zum Ende der Zinsbindung am 30. Januar 2027 waren 181 gleichbleibende monatliche Zinsraten in Höhe von 789,58 EUR an die Beklagte zu zahlen. Laufende Tilgungsraten waren nicht geschuldet, sofern der abgeschlossene Bausparvertrag bei der L. B.-W. vereinbarungsgemäß bedient wird. Die Rückzahlung des Darlehens sollte bei Zuteilung des Bausparvertrages, frühestens bei Ablauf der Festzinsvereinbarung erfolgen (Ziff. 3 und 4).
Der Darlehensvertrag enthält unter Ziff. 14 auf Blatt 4 und 5 folgende Widerrufsinformation:
((Abbildung))
Wegen des weiteren Inhalts des Darlehensvertrages wird auf Anlage K 1 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Zugleich forderte er die Beklagte zur Abrechnung des Darlehens ohne Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung auf und erklärte, künftige Zahlungen lediglich ...