Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Anspruch eines volljährigen studierenden Kindes auf Finanzierung eines Auslandssemesters. Anrechnung des Einkommens aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit eines freiberuflich Tätigen nach Erreichen der Regelaltersgrenze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit ein Auslandssemester für die Berufsausbildung (hier: Studiengang Sinologie bzw. Ostasienwissenschaften) sinnvoll ist, ist dieses bei guten Einkommensverhältnissen der Eltern auch bei einer Verlängerung der Studienzeit zu finanzieren.

2. Die von einem niedergelassenen Arzt nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze fortgesetzte freiberufliche Tätigkeit ist unterhaltsrechtlich überobligatorisch. Das hieraus erzielte Erwerbseinkommen kann nach den Umständen des Einzelfalls bei der Berechnung des Kindesunterhalts zu 50 % anzurechnen sein.

 

Normenkette

BGB §§ 1603, 1606, 1610

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe-Durlach (Urteil vom 20.02.2009; Aktenzeichen 2 F 110/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - Familiengericht - Karlsruhe-Durlach vom 20.2.2009 - 2 F 110/08 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 5.339 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Abänderung eines Titels über Kindesunterhalt.

Der am ... 1943 geborene Kläger ist Arzt mit eigener Praxis. Der am ... 1984 geborene Beklagte ist das eheliche Kind des Klägers aus seiner Ehe mit B. M.-P.. Nach der Trennung seiner Eltern im Jahr 1994 lebte der Beklagte bei seiner Mutter. Die Ehe des Klägers mit Frau M.-P. wurde 2007 geschieden.

Das AG - Familiengericht - Karlsruhe-Durlach hat den Kläger mit Urt. v. 13.1.2000 - 3 F 86/99 - verurteilt, für den Beklagten ab dem 1.6.1999 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 180 % des Regelbetrages nach der Regelbetragsverordnung der jeweiligen Altersstufe zu bezahlen, abzgl. des an die Kindesmutter gezahlten hälftigen Kindergeldes. Dabei ging das AG von einem monatlichen Nettoeinkommen des Klägers aus seiner Arztpraxis von 6.900 DM aus, das im Trennungsunterhaltsverfahren zwischen dem Kläger und Frau M.-P. unstreitig war.

Der Beklagte nahm im Alter von 23 Jahren zum Wintersemester 2005/2006 ein Studium der Sinologie an der Universität Heidelberg auf. Er begann sein Studium als Magisterstudent mit den Hauptfächern Sinologie und Philosophie, wobei er in den ersten beiden Semestern zunächst nur Sinologie belegte. Nach dem 2. Semester begab sich der Beklagte für zwei Auslandssemester an die Universität Shanghai. Zum Wintersemester 2007/2008 setzte der Beklagte sein Studium in Heidelberg fort, wobei er erstmals Philosophie belegte. Das Studium der Philosophie lag dem Beklagten nicht, weshalb er zum Wintersemester 2008/2009 das zweite Hauptfach von Philosophie zu Computerlinguistik wechselte. Da Computerlinguistik nur als Bachelorstudiengang angeboten wurde, wechselte der Beklagte zugleich im ersten Hauptfach das Abschlussziel von Magister/Sinologie (Regelstudienzeit: 9 Semester) auf Bachelor/Ostasienwissenschaften (Regelstudienzeit: 6 Semester, für den darauf aufbauenden Masterabschluss weitere 4 Semester). Seit Mitte Dezember 2010 arbeitet der Beklagte an seiner Bachelorarbeit im Fach Computerlinguistik. Ab Sommer 2011 beabsichtigt der Beklagte die Aufnahme des Masterstudiums für Computerlinguistik.

Für den Bedarf des Beklagten legen beide Parteien den Grundbedarf für ein volljähriges Kind mit eigenem Hausstand abzgl. des vollen Kindergeldes zzgl. Krankenversicherung (von 15,30 EUR bis 30.6.2010, von 25,97 EUR von 1.7.2010 bis 30.9.2010 und von 38,49 EUR ab 1.10.2010) zzgl. Studiengebühr von 98,83 EUR zugrunde.

Der Kläger ist niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin und auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres noch tätig. Seine Praxis führt er in dem Anwesen ... in K., das in seinem Eigentum steht und in dem er auch wohnt. Der Kläger musste sich im November 2009 mehreren Hautkrebsoperationen unterziehen.

Der Kläger erzielte mit seiner Praxistätigkeit Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit für das Jahr:

2005 i.H.v. brutto 122.569 EUR,

2006 i.H.v. brutto 179.400 EUR,

2007 i.H.v. brutto 169.676 EUR und

2008 i.H.v. brutto 204.849 EUR.

Für 2009 ist die Steuererklärung des Vaters noch nicht erstellt. Das von seinem Steuerberater unter dem 11.1.2011 errechnete vorläufige Ergebnis der Praxis für 2009 beläuft sich auf 122.891,15 EUR.

Seit 2005 bezieht der Kläger daneben Rente i.H.v.

2005: 23.925 EUR brutto,

2006: 24.137 EUR brutto,

2007: 24.471 EUR brutto und

2008: 21.715 EUR brutto.

Einkommen aus Kapitalvermögen hat der Kläger erzielt:

2005 i.H.v. 210 EUR brutto (I, 175) und

2006 i.H.v. 3.623 EUR brutto (I, 595).

Der Kläger ist an den Firmen Bo. Me. und H. beteiligt. Das negative Einkommen hieraus belief sich

2005 auf -12.255 EUR,

2006 auf -14.351 EUR,

2007 auf -17.521 EUR und

2008 auf -12.558 EUR.

Der Kläger war neben dem ...

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