Leitsatz (amtlich)
1. Zum Wiederverkauf bestimmtes Fleisch ist wegen der fehlenden Handelbarkeit schon dann mangelhaft, wenn der Verdacht besteht, dass es aufgrund von Manipulationen den lebensmittelrechtlichen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Fleisch nicht mehr genügt. Eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher ist nicht erforderlich.
2. Die Mangelhaftigkeit der Handelsware entfällt erst dann, wenn der Verdacht ausgeräumt wurde. Sie setzt nicht voraus, dass der Verdacht bestätigt wurde.
Normenkette
BGB §§ 323, 434 Abs. 1 Nr. 1, § 437 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 24.01.2007; Aktenzeichen 12 O 64/06 KfH) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Heidelberg vom 24.1.2007 - 12 O 64/06 KfH - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, der mit Beschluss des AG - Insolvenzgericht - P. vom 27.3.2006 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma B. GmbH in P. bestellt wurde, macht Ansprüche auf Bezahlung einer Lieferung an die Beklagte geltend. Das LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der getroffenen Feststellungen verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte aufgrund der Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware zu Recht vom Kaufvertrag zurückgetreten sei.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der verschiedene Rechts- und Verfahrensfehler bei der Feststellung der Voraussetzungen des Kündigungsrechts der Beklagten rügt und sein Begehren aus dem ersten Rechtszug in vollem Umfang weiter verfolgt. Außerdem trägt der Kläger nunmehr vor, die gelieferte Ware sei nicht als Ware der Firma B. GmbH erkennbar gewesen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und behauptet, die Ware sei Ende 2007 vernichtet worden.
Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat zur Frage, ob die Beklagte die gelieferte Ware verkauft hat, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. B., H. H.-K., C. H.-K. und S.A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 25.6.2008 (II 255 ff.) Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das landgerichtliche Urteil weist weder Rechtsfehler auf noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen (§ 513 Abs. 1 ZPO) noch das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme eine andere Entscheidung. Die Beklagte war zum Rücktritt vom Kaufvertrag nach §§ 434 Abs. 1 Nr. 1, 437 Nr. 2, 323 BGB berechtigt, denn die zum Weiterverkauf erworbene Sache war mangelhaft, da sie nicht handelbar war und deshalb nicht weiter verkauft werden konnten. Die Berufungsangriffe rechtfertigen keine andere Entscheidung:
I. Das LG geht zutreffend im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH davon aus, dass eine Handelsware auch dann mangelhaft ist, wenn durch konkrete Tatsachen der nahe liegende Verdacht begründet wird, dass die zum Weiterverkauf gelieferte Ware gesundheitlich nicht unbedenklich und deshalb nicht verkehrsfähig ist (BGH NJW 1969, 1171 [1172]; NJW 1972, 1462; NJW 1989, 218, 219/220; NJW-RR 2005, 1218, 1219/1220).
A. Dieser Verdacht war hier gegeben. Das von der Insolvenzschuldnerin am 13.12.2005 an die Beklagte gelieferte Fleisch stand unter dem dringenden Verdacht, dass es den lebensmittelrechtlichen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Fleisch nicht genügt, da zu befürchten war, dass dieses entweder gesundheitsschädlich oder aus sonstigen Gründen zum menschlichen Verzehr nicht geeignet war oder dass hinsichtlich der Fleischqualität und der Verwendbarkeit manipuliert worden war (Stichworte: Umverpackung, Umetikettierung). Dieser Verdacht folgt schon aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Die Pressemitteilung des Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 15.2.2006 (Anl. K12, I 221) zeigt den Umfang der bei den Untersuchungen beanstandeten Proben (Erhöhung von 53 auf 74). Die aktualisierte Rückrufliste (Anl. K8) umfasst bereits 128 Produkte und die als Anl. K10 vorgelegte Fassung bereits 137, was die stattliche Anzahl der Beanstandungen als nicht zum menschlichen Verzehr geeignet zeigt und, da zudem nur die untersuchten Fleischprodukte betroffen sind, erkennen lässt, dass die Insolvenzschuldnerin in erheblichem Umfang unter Verstoß gegen die einschlägigen lebensmittelrechtlichen Normen Fleisch verarbeitet und in den Verkehr gebracht oder dies zumindest versucht hat. Diese Fülle der Verstöße, die sich über die gesamte Produktpalette der Insolvenzschuldnerin erstreckten, gab hinreichenden Anlass zu dem Verdacht, dass das gelieferte Fleisch aufgrund von Verstößen gegen die einschlägigen Lebensmittelnormen nicht verkehrsfähig und damit nicht handelbar war. In den von der Beklagten vorgelegten Ausdrucken aus Veröffentlichung im Internet (Anl. B6 [die Anl. B6 wurde zweimal vorgelegt] und B8 - B11) wurde ...